Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
Wahnvorstellungen ab.«
Sie lächelte strahlend und wirkte einen Moment so, als wolle sie ihn umarmen, tat es dann aber doch nicht. »Du hast recht! Das ist alles Kacke!« Sie lachte und schlug sich die Hand vor den Mund. »Oh, Entschuldigung, Pater!«
»Als Buße musst du drei Ave Maria beten und eine gute Tat vollbringen, junge Dame!«, sagte er in seiner Beichtstuhl-Stimme, und wünschte sich dabei, sie hätte ihn umarmt.
Oh ja. Er war schon viel zu lange geblieben.
6.
Bruder Robert saß stocksteif auf dem Beifahrersitz von Martins Wagen. Seine Gedanken überschlugen sich, als die Kolonne von Autos an dem Straßenschild vorbeirollte, das den Ortseingang der Gesamtgemeinde von Monroe ankündigte.
In gewisser Weise war er enttäuscht. Er hatte es als selbstverständlich angesehen, dass er derjenige sein würde, der die Gläubigen in diesem heiligen Unternehmen anführte, dass er das Feuerschwert des Herrn in die Schlacht gegen den Antichrist tragen würde. Aber er war übergangen worden. Grace war auserkoren.
Doch er war nicht vollkommen übergangen worden. Während er sich sachte die Krusten der verheilenden Stigmata in seinen Händen rieb, dankte er dem Heiligen Geist, dass er eine so innige Berührung erfahren durfte.
Wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, musste er zugeben, dass er sogar erleichtert war, dass die Verantwortung nicht auf seinen Schultern lag. Er war immer noch nominell der Führer der Gruppe, weil er die Priesterweihe empfangen hatte, aber es lag nicht mehr allein in seiner Verantwortung, den endgültigen Streich gegen Satan zu führen. Es war eine schwere Last gewesen. Nachdem sie jetzt teilweise von ihm genommen war, fühlte er sich befreit, fast gelöst.
Was für ein seltsamer Weltuntergang ihnen bevorstand. Was für eine bunt zusammengewürfelte, unscheinbare Armee sie doch abgaben. Vollkommen gewöhnliche Sterbliche. Und das Feuerschwert – ein kleines chirurgisches Instrument.
Wo war die Majestät, die Größe dieser Entscheidungsschlacht zwischen Gott und dem Teufel? Wer hätte sich je träumen lassen, dass das Schicksal der Welt in einer kleinen Stadt am Rand von Long Island entschieden würde? Es schien nicht richtig. Es war zu profan, zu prosaisch.
Trotzdem konnte er das Wunder der Stigmata und die Botschaft aus seinem tiefsten Innern nicht leugnen: Sie waren im Begriff, sich einem schrecklichen Bösen entgegenzustellen. Wenn es ihnen gelang, es auszumerzen, bevor es sich manifestieren konnte, dann blieb der Welt schreckliches Leid erspart.
Aber Bruder Robert wollte derjenige sein, der den entscheidenden Streich führte. Doch er hatte nicht die speziellen Fähigkeiten, die für diese Aufgabe nötig waren. Grace hatte sie. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass es nur aus diesem Grund war und nicht aufgrund von Zweifeln an seiner Glaubensstärke, dass der Herr ihn übergangen hatte. Persönliche Wünsche spielten hier keine Rolle. Die Aufgabe allein war wichtig.
Und bald würde es vollbracht sein. Nicht mehr lange und der Antichrist war in die Hölle zurückgeschleudert, und Bruder Robert konnte endlich in seine geliebte Zelle im Kloster von Aiguebelle zurückkehren.
7.
Graces Arm lag auf dem ledernen, innen mit Filz gefütterten Kasten, mit den chirurgischen Instrumenten, neben sich auf dem Rücksitz. Sie waren jetzt wieder steril, weil sie sie während ihrer letzten Schicht im Krankenhaus ausgekocht hatte. Auf dem Schoß hatte sie das Fläschchen Chloroform, das sie von dort mitgenommen hatte. Außerdem noch Desinfektionslösung und einen Vorrat an Antibiotika und Codein-Tabletten, die sie Carol nach dem Eingriff geben würde.
Sie konnte nicht verhindern, dass sie Vorbehalte bei dieser Sache hatte. Sie trug immer noch die Stigmata, der Heilige Geist war immer noch mit ihr, und sie würde sich von ihrer Mission nicht abbringen lassen … aber sie wünschte, es gäbe eine andere
Möglichkeit. Hätte Carol ein paar Tage zuvor doch eine Fehlgeburt gehabt, dann wäre das jetzt alles nicht nötig. Grace wusste, sie würde für das, was sie jetzt tun musste, den Rest ihres irdischen Lebens bezahlen müssen. Sie konnte nur hoffen, dass es ihr im nächsten Leben vergolten wurde.
Oh Herr, lass diesen Kelch an mir vorbeigehen.
Aber sie wusste, sie konnte diesen Kelch nicht weiterreichen, weil es niemanden gab, der ihn nehmen konnte.
Carol … die einzige Tochter ihres Bruders. In der Zeit zwischen Henrys und Ellens Tod und Carols Hochzeit mit Jim war
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