Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
Lehnen fesselten.
»Aufhören! Bindet ihn augenblicklich los!«
Die Männer sahen zu ihr auf, dann zu Martin, dann machten sie weiter ihre Knoten.
»Alles zu seiner Zeit«, sagte Martin. »Ich glaube, da gibt es jemandem, mit dem Sie reden sollten, bevor Sie sich zu sehr aufregen.«
Carol wollte ihn gerade anschreien, als sie das Geräusch von Autoreifen hörte, die durch die Pfützen in der Auffahrt platschten. Durch das vordere Fenster sah sie drei Autos auf den Hof fahren. Keines davon kam ihr bekannt vor. Die Wagen hielten an, die Türen öffneten sich und mehrere Frauen stiegen aus – insgesamt fünf – und ein bärtiger Mann in einer Mönchskutte, der die Kapuze über den Kopf gezogen hatte. Als die Neuankömmlinge sich der Tür näherten, erkannte sie die kleine rundliche Gestalt, die sie anführte.
»Tante Grace!«
»Grace?«, brüllte Emma vom anderen Ende des Raumes. »Grace Nevins? Die gehört zu denen? Ich hätte es wissen müssen! Sie war dabei, als sie meinen Jimmy umgebracht haben!«
Carol hörte sie kaum. Tante Grace war hier. Das war gut. Emma war nur mit den Nerven am Ende. Von Tante Grace war nichts zu befürchten. Grace hatte bei ihr die Mutterstelle vertreten, nachdem ihre Eltern verunglückt waren. Wenn sie diese Leute kannte, würde alles gut werden.
10.
Grace hatte das Böse in dem Haus gespürt, sobald sie den Fuß auf die Veranda setzte. Aber als sie eintrat und sah, wie Carol durch die Eingangshalle gerannt kam und mit ausgebreiteten Armen auf sie zustürzte, da brach es über sie herein wie ein Schlag mit einem Vorschlaghammer.
»Tante Grace! Du musst uns helfen! Wir werden hier gefangen gehalten!«
Grace zwang sich eisern, nicht zurückzuweichen, als Carol sich an sie klammerte. Aber ihre zitternde Nichte in den Arm zu nehmen, war genauso, als würde man einen Sack voll Maden umarmen. Sie hatte keinen Zweifel mehr – der Antichrist war in ihr. Plötzlich fühlte sie gerechten Zorn auf den Teufel, der ihrer Nichte so etwas antat. Wie konnte er das wagen!
»Alles wird gut, Liebes«, sagte sie und streichelte über Carols langes, feuchtes Haar.
Ich werde dich von deiner Last befreien. Ich werde die Fäulnis aus dir entfernen, damit du wieder dein eigenes unbeflecktes Leben führen kannst.
Sie verabscheute sich dafür, dass sie sie täuschen musste. Denn auch wenn sie darauf brannte, Carol von Satan zu befreien, so hatte sie doch Angst vor der hässlichen Szene, die dem vorausgehen würde und sie wollte die unangenehme Sache so lange wie möglich hinauszögern, sie möglichst kurz halten. Eine kleine bittere Pille, die man in einem Schluck herunterspülen konnte.
»Tante Grace, kennst du diese Leute?«
»Ja. Ja, das tue ich. Ich kenne sie seit Aschermittwoch.«
»Kannst du nicht dafür sorgen, dass sie wieder gehen?«
»Mach dir keine Sorgen. Du weißt, ich würde nicht zulassen, dass meiner Nichte etwas geschieht. Entspann dich. Morgen wird dir das wie ein Traum erscheinen und alles ist gut. Du wirst dich sogar erheblich besser fühlen, als du es jetzt tust.«
Dann wirst du diese Abscheulichkeit, die da in dir heranwächst, los sein.
Sie spürte, wie Carol sich entspannte, aber in ihren Augen stand immer noch Angst, als sie sich zurücklehnte und sie ansah.
»Schaff sie hier heraus. Sorgst du bitte dafür? Du solltest sehen, was sie mit Jonah gemacht haben!«
»Zeig es mir.«
Sie folgte Carol in das Zimmer zur rechten Seite. Sie hatte noch nie so ein Haus wie dieses gesehen, mit so vielen Verzierungen und so vollgestellt. Sie erstarrte auf der Schwelle, schockiert vom Anblick eines Jonah Stevens, der an einen Stuhl gefesselt war und sich gegen seine Fesseln aufbäumte.
»Du!«, brüllte Jonah, als er ihrer ansichtig wurde. Sein eines Auge funkelte sie aus einem wutverzerrten Gesicht an. »Ich hätte wissen müssen, dass du damit zu tun hast!«
Er hätte es wissen müssen? Was meinte er damit?
Aber es war Emma, die plötzlich die Szene beherrschte. Sie riss sich von ihren beiden Wächtern los und stürzte sich quer durch den Raum auf Grace. Ihre Finger waren ausgestreckt wie Klauen und sie kreischte in den höchsten Tönen.
»Du bist diejenige, die meinen Jimmy umgebracht hat. Du!«
Grace wich vor der Attacke zurück und zu ihrem Glück konnten die anderen Auserwählten Emma packen und festhalten, bevor sie sie erreichte. Emmas Worte wurden unverständliches Gestammel und sie fauchte und kreischte und biss und spuckte nach ihren Peinigern, die sie zu
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