Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
wollte, packte jemand den Griff von außen und riss sie zurück. Der unterdrückte Schrei machte sich Luft.
»Bleiben Sie weg von mir! Gehen Sie weg!«
Sie sah auf in das freundliche Gesicht und die sanften Augen von jemandem, der ein Buchhalter oder ein Würstchenverkäufer oder ein Abteilungsleiter im Supermarkt sein könnte. Aber es gab keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit, wie er da im Regen stand und auf sie hinunterblickte.
»Wir haben nicht die Absicht, Ihnen Schaden zuzufügen, Mrs Stevens!«
»Dann lassen Sie mich gehen!«
»Ich befürchte, das können wir nicht. Zumindest im Moment noch nicht.« Er hielt ihr seine Hand entgegen, um ihr aus dem Wagen zu helfen. Sie bemerkte, dass die Hand bandagiert war. Ebenso seine andere Hand. Er zog sie zurück, als habe er es sich plötzlich anders überlegt. »Bitte kommen Sie mit mir.«
Ein anderer Mann, vielleicht zehn Jahre älter, aber mit demselben freundlichen Gesichtsausdruck, gesellte sich zu dem ersten und sah auf sie herunter. Auch seine Hände trugen Verbände. Trotz ihrer Angst fiel ihr plötzlich auf, wie merkwürdig diese Verbände waren.
»Bitte haben Sie keine Angst vor uns«, erklärte der zweite Mann. »Wir sind nur da, um Ihnen zu helfen.«
Die Haltung beider Männer war eine seltsame Mischung aus abgeklärter Gelassenheit und unbeugsamer Entschlossenheit. Das hier waren Männer, die die Antwort auf alle Fragen des Lebens gefunden hatten. Sie waren unbedingt von der Richtigkeit ihres Tuns überzeugt.
Der Effekt war beängstigend.
Sie sah an ihnen vorbei zur Veranda, wo vier Männer immer noch versuchten, Jonah zu überwältigen. Der erste Mann folgte ihrem Blick.
»Wir wollen auch ihm keinen Schaden zufügen. Kommen Sie.«
Carol kämpfte gegen die Hysterie an, die ihr die Luft zu nehmen drohte. Die Behauptung, sie wollten ihr keinen Schaden zufügen, schien ehrlich gemeint, aber etwas in ihr kreischte vor Angst vor dem Blick in den Augen dieser Fanatiker.
Doch welche Wahl hatte sie denn? Sie waren in der Überzahl und ihr blieb kein Fluchtweg offen. Die Veranda war von der Straße nicht einsehbar und keines der Nachbarhäuser war nahe genug, um sie zu hören, wenn sie schrie. Ihre Arme und Beine waren wie Blei, zu schwach, um sich zu wehren, zu schwer, um davonzulaufen.
Und oben auf der Veranda hatten sie Jonah auf die Füße gezogen und führten ihn ins Haus.
»Schon gut. Ich komme mit. Aber fassen Sie mich nicht an.«
Nichts schien ihnen ferner zu liegen. Beide Männer traten zurück, um ihr Platz zu machen, aber sie bemerkte, dass der erste den Griff der Wagentür nicht losließ.
Sie folgten ihr zur Veranda. Der Mann, der sich als Martin vorgestellt hatte, wartete dort. Er sprach mit den Männern, die sie begleiteten.
»Geht und sagt Bruder Robert Bescheid.«
Der Zweite trottete davon in Richtung Straße.
Carol fragte sich, was das wohl zu bedeuten hatte, als Martin sie in die Eingangshalle führte. Dann hörte sie Emmas atemlose Stimme aus dem Salon.
»… wollte dich warnen, Jonah, aber sie haben mich geknebelt und ins Hinterzimmer geschleppt.«
Carol folgte Martin in den Salon, wo einer der Männer Jonah an einen Stuhl fesselte, während zwei andere seine Arme festhielten. In der Tür zum Esszimmer stand Emma, flankiert von zwei weiteren Männern.
Und sie alle hatten bandagierte Hände. Was hatte das zu bedeuten?
»Carol!«, rief Emma. »Ich bin so froh, dass es dir gut geht! Ich habe mir solche Sorgen gemacht!«
Carol verspürte plötzlich eine schreckliche Wut auf diese Eindringlinge. Sie betrachtete die Hanley-Villa nicht wirklich als ihr Heim, daher hatte sie vielleicht nicht so reagiert, wie sie es instinktiv getan hätte, wenn diese Ereignisse im alten Häuschen ihrer Familie passiert wären. Aber der Anblick des eingeschlagenen Bleiglasfensters, die Glassplitter auf dem Teppich, die Äxte, die an der Wand lehnten, das änderte etwas an ihrer Haltung. Sie hatte plötzlich das Gefühl, sie müsse dieses alte Haus beschützen.
Das hier war ihr Haus und das hier waren wahrscheinlich die Leute, die ihr altes Heim niedergebrannt hatten. Und jetzt führten die sich hier auf, als wären sie hier zu Hause. Und fesselten ihren Schwiegervater!
Sie stürmte in den Salon.
»Raus hier! Sie verschwinden jetzt alle aus meinem Haus!«
»Wir gehen gleich«, erklärte Martin ungerührt.
»Nicht gleich! Sofort! Ich will euch alle hier sofort raushaben!«
Sie stürmte zu dem Stuhl, wo die Männer gerade Jonahs Arme an die
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