Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
Boden drückten. Sie benahm sich wie eine Wahnsinnige, wie ein verwundetes, wildes Tier.
Ob aus Erschöpfung, oder aus der Einsicht heraus, dass sie hilflos war, konnte Grace nicht sagen, aber schließlich beruhigte Emma sich und lag keuchend und schnaufend auf dem blumengeschmückten Teppich.
Verwundet. Sie war verwundet worden, oder nicht? Der arme Jimmy trug keine Schuld daran, dass er ohne Seele geboren worden war. Er diente dem Teufel als Werkzeug, um die arme Carol zu schwängern, und danach war er überflüssig. Sie fühlte mit Emma in ihrem Schmerz, aber das war kein Grund, warum Grace ihren Zorn nicht fürchten sollte.
Jim war benutzt worden, Carol war benutzt worden. Und es war Carol zweifellos bestimmt, so wie Jim weggeworfen zu werden, sobald sie ihrem Zweck gedient und der Antichrist das Licht der Welt erblickt hatte. Es war eine so schmutzige Angelegenheit, voller Verrat. Nun, Grace würde all dem hier und heute ein Ende setzen.
Erleichtert sah sie zu, wie Emma vom Fußboden aufgehoben und auf einen Stuhl gesetzt wurde, um wie ihr Mann gefesselt zu werden. Sie jammerte herzerweichend.
»Sie hat meinen Jimmy getötet! Sie hat meinen Jimmy umgebracht und sie muss dafür bezahlen!«
»Emma, bitte«, sagte Carol. »Grace hatte damit nichts zu tun.«
Sie blickte die kleine rundliche Gestalt flehend an. »Das stimmt doch, Tante Grace?«
Grace schüttelte den Kopf.
In gewisser Weise, so beruhigte sie sich, war das sogar richtig. Sie war gegen diese erste Expedition nach Monroe gewesen, sie hatte nicht mitkommen wollen, und sie war während der ganzen tragischen Begebenheit im Auto geblieben.
»Sie lügt!«, brüllte Jonah. »Sie war dabei! Ich habe sie in einem der Wagen gesehen!«
Carol starrte sie an: »Das ist doch nicht wahr, oder?«
Grace brachte es nicht über sich, ihre Nichte anzulügen. »Du musst das verstehen, Carol, ich …«
»Sie war da, um Jim zu töten!«, sagte Jonah. »Und jetzt ist sie hier, um Jims Baby zu töten!«
In diesem Moment hätte Grace ihr Leben gegeben, um nicht das wachsende Entsetzen in Carols Gesicht sehen zu müssen.
Carols Stimme war nur ein Flüstern: »Nein …«
»Carol, Liebes, du musst wissen, das Kind, das du in dir trägst, ist nicht wirklich Jims Kind. Es ist …«
Carol hatte die Hände über die Ohren geschlagen und ihre Stimme schwoll zu einem Schrei an.
»NEIN!«
11.
Bill hatte die ehrfurchtgebietende Wut des Gewitters vom Wohnzimmer seiner Eltern aus betrachtet. Jetzt, wo es nur noch nieselte und der Donner in der Ferne grollte, hatte er sich wieder auf den Weg gemacht. Die Temperatur war um fast zwanzig Grad gefallen. Der Winter stemmte sich noch ein letzte Mal gegen den Frühling an. Er hatte die Heizung und das Gebläse so hoch wie möglich gedreht, damit seine Windschutzscheibe nicht beschlug. Auf dem Weg zur Glen Cove Road musste er an Carol und Jims altem Haus vorbei und er spürte eine schmerzhafte Beklemmung in der Brust, als er die verkohlte Ruine an der Collier Street 124 passierte.
Das brachte seine Gedanken wieder zu Carol und wie sie wohl zurechtkam und ob es ihr gut ging.
Natürlich ging es ihr gut. Sie war in der Hanley-Villa und ihre Schwiegereltern waren bei ihr.
Warum hatte er dann dieses andauernde bohrende Gefühl, dass es ihr eben nicht gut ging?
Er näherte sich der Glen Cove Road und wollte eben nach Süden abbiegen, aber dann fuhr er aus einem Impuls heraus bei einer Tankstelle an den Straßenrand und hielt an. Das Gefühl wurde stärker.
Das ist albern, dachte er.
Er glaubte nicht an Vorahnungen oder Hellsehen oder anderen paranormalen Unsinn. Es widersprach nicht nur den Lehren seiner Kirche, sondern auch seinen persönlichen Erfahrungen.
Trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, dass Carol ihn brauchte.
Er legte den Gang wieder ein, fuhr weiter Richtung Glen Cove Road, dann trat er auf die Bremse und hämmerte mit der Faust auf das Lenkrad.
Es war klar, dass er keine ruhige Minute haben würde, bevor er das nicht geklärt hatte.
Er fuhr auf den Parkplatz der Tankstelle, zog die Telefonnummer der Hanley-Villa aus seiner Jacke und warf eine Münze in den Schlitz des Münzfernsprechers. Kein Klingelzeichen. Eine automatische Ansage wies darauf hin, dass das Telefon nicht funktionierte. Im ganzen nördlichen Bezirk von Nassau waren aufgrund des Sturmes die Leitungen ausgefallen.
Richtig. Der Sturm. Vielleicht war der Blitz in die Villa eingeschlagen. Vielleicht stand sie gerade in diesem Augenblick in
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