Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Titel: Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
Vom Netzwerk:
liebte ihre unverheiratete Tante, die während ihrer Collegejahre so etwas wie eine Ersatzmutter für sie gewesen war und ihr so etwas wie eine Familie bot, zu der sie an den Feiertagen und in den Sommerferien kommen konnte. Carol war mit ihr immer sehr gut ausgekommen. Das galt jedoch nicht für Jim.
    »Das mag ja sein, aber ihre Wohnung ist einfach nur gruselig.«
    »Du gruselst dich vor gar nichts. Außerdem kriege ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich in die Stadt fahre und so viel Zeit habe, und nicht wenigstens vorbeigehe, um Guten Tag zu sagen.«
    »Na gut«, sagte er, als sie den East River überquerten und die Abfahrt nach Manhattan hinunterfuhren. »Dann eben nach Grammercy Park. Aber eines musst du mir versprechen: Sobald sie wieder anfängt und meine Seele retten will, gehen wir.«
    »Versprochen.«

Zwischenspiel am Central Park West 1
     
    Mr Veilleur war sich zuerst nicht sicher, was es war.
    Es kam, als er in halb liegender Position beinahe auf dem Wohnzimmersofa vor dem nagelneuen 19-Zoll-Farbfernseher eingedöst wäre, in dem gerade ein Nachrichtensondersendung über die Auswirkungen der Tet-Offensive in Vietnam lief.
    Ein Gefühl, eine Regung, ein Kribbeln in seinem Hinterkopf.
    Er konnte es nicht identifizieren, aber es kam ihm irgendwie bedrohlich vor.
    Eine Warnung?
    Als es stärker wurde, schien es ihm irgendwie vertraut. Wie etwas aus der Vergangenheit; etwas, das er gekannt hatte, was ihm aber seit vielen Jahren nicht mehr begegnet war.
    Eine Erscheinung?
    Plötzlich alarmiert, schüttelte er sich wach und setzte sich auf.
    Nein. Das konnte nicht sein.
    Er erhob sich und ging zum Fenster, wo er auf die kahlen Bäume hinunterblickte. Der Central Park wurde vom orangefarbenen Schimmer der untergehenden Sonne, deren Licht durch die Straßenschluchten der Upper West Side fiel, in Streifen geschnitten.
    Das Gefühl wuchs, wurde stärker, präziser, kam aus dem Osten auf ihn zu, direkt von der anderen Seite der Stadt.
    Das kann nicht sein!
    Er sah sein geisterhaftes Spiegelbild in der Fensterscheibe: Ein breitschultriger Mann mit grauen Haaren und faltigem Gesicht. Er sah aus wie jemand in den Sechzigern, aber im Augenblick fühlte er sich sehr viel älter.
    Das Gefühl ließ sich nicht verleugnen, aber wie konnte das sein? Es war unmöglich!
    »Was ist los, Liebling?«, fragte seine Frau in ihrem stark akzentuierten Englisch, als sie aus der Küche ins Wohnzimmer kam.
    »Er ist es! Er lebt! Er ist hier!«

III
     
    Manhattan
     
    1.
     
    Grace Nevins knabberte an einem Knäckebrot, während sie die größte ihrer Statuetten des Prager Jesuleins abstaubte. Die dreißig Zentimeter große Porzellanfigur stellte einen kleinen Jungen dar, der eine Krone trug und einen Reichsapfel in Händen hielt. Vier dieser Statuen standen im Wohnzimmer ihrer Mietwohnung, eine in jeder Himmelsrichtung. Alle waren noch in ihre Weihnachtskleider gehüllt, aber es wurde langsam Zeit, die Kleidung zu wechseln. Die Fastenzeit stand vor der Tür. Am nächsten Mittwoch war Aschermittwoch. Da waren schlichte purpurne Roben für jede der Figuren angebracht.
    Sie ging weiter zu den Kruzifixen. Alle zusammengenommen hatte sie zweiundzwanzig davon, und ein paar der prunkvolleren waren wirkliche Staubfänger. Danach widmete sie sich den acht Statuen der heiligen Jungfrau Maria, von der kleinen fünfzehn Zentimeter großen Figur, die sie im Dom von Washington gekauft hatte, bis hin zu der meterhohen Marmorschönheit in ihrer Miniaturgrotte der Tür gegenüber. Sechs Herz-Jesu-Darstellungen schmückten die Wände, jede mit einem gesegneten Palmwedel hinter den Rahmen geklemmt. Die Palmblätter waren brüchig und braun geworden, sie waren schließlich alle schon fast ein Jahr alt. Das war recht so. Ihre Zeit war fast vorbei. Anfang April, an Palmsonntag, würde sie sich frische Palmwedel für die Bilder besorgen.
    Sie wollte sich gerade den Betenden Händen und den Reliquien zuwenden, als die Türglocke schellte. Jemand stand vor der Haustür. Als Grace Carols Stimme am anderen Ende der Sprechanlage erkannte, hüpfte ihr Herz vor Freude, während sie auf den Türöffner drückte.
    Es war immer schön, die einzige Nichte zu sehen.
    Während sie wartete, bis Carol die drei Treppenfluchten zu ihrer Wohnung hochgestiegen war, verspürte sie ein vages Gefühl der Unruhe, eine allmählich steigende Anspannung, für die es keinen Grund, keinen erklärbaren Anlass gab. Sie versuchte es abzuschütteln.
    »Carol!«, sagte sie an der Tür, als

Weitere Kostenlose Bücher