Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
Es fehlte ihm, um zwei Uhr nachts zum Morgengebet aufzustehen, ihm fehlte die tägliche Routine, die einfachen bäuerlichen Tätigkeiten, die Meditationszeiten, die Nähe zu Gott, die Stille.
Nicht fleischliche Schwäche hatte ihn von dort vertrieben, eher eine Schwäche des Geistes. Die Disziplin, der Zölibat, das Fasten, das war ihm alles nicht schwer gefallen. Er hatte es genossen. Nein, ein anderer Appetit hatte ihn herausgelockt, eine unstillbare Lust – die nach Wissen. Er hatte Glauben, aber er wollte Wissen; er hungerte nach Antworten. Dieser Hunger hatte ihn in die entferntesten, dunkelsten Winkel der Erde getrieben, wo er zu viel erfahren hatte.
Er hatte ihn schließlich hierhergebracht, zu der kleinen Gruppe katholischer Adventisten, die sich in diesem Gebäude traf. Aus irgendeinem Grund hatte der Heilige Geist die Leute, die sich hier zusammengefunden hatten, berührt und ihnen offenbart, dass der Antichrist sich wie ein Dieb in der Nacht in die Welt geschlichen hatte. Diese Leute, und auch Grace Nevins, waren Auserwählte, so wie er selbst. Er konnte jetzt nicht in sein Kloster zurück. Er musste bei ihnen bleiben und warten, bis der Heilige Geist sich ihrer nach Gottes Ratschluss bediente, wenn es zum letzten Kampf kam.
Er betete, er möge stark genug sein für die schrecklichen Prüfungen, die vor ihm lagen.
Monroe
3.
»Ich kann es kaum erwarten!«, sagte Emma.
Jim stand in dem kleinen Wohnzimmer seiner Eltern und belächelte die Tatsache, dass sich seine Mutter wie ein kleines Kind darauf freute, durch die Hanley-Villa geführt zu werden.
»Das ist schon ein beeindruckender Kasten«, versicherte er ihr.
Und das war er wirklich. Er hatte gestern mit Carol die alte viktorianische Monstrosität in Augenschein genommen. Sie liebte viktorianische Häuser und er hatte seine Freude daran gehabt, mit welchem Vergnügen sie das Haus erkundet hatte.
»Dad ist noch nicht zu Hause?«
»Nein.« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Es ist schon fast vier. Vielleicht ist er in der Fabrik aufgehalten worden.«
Jim nickte abwesend, während Erinnerungen an die Nacht von Montag in seinem Kopf herumspukten. Er und Carol hatten ihre blauen Flecken damit erklärt, dass sie beim Eislaufen gestürzt wären, wobei einer den anderen zu Boden gerissen hatte. Das hatte die Fragen der Anderen verstummen lassen, nicht aber die Fragen, die Jim im Kopf herumgingen: Wer hatte sie in dieser Nacht gerettet? Und warum?
Er bekam den Gedanken nicht aus dem Kopf, dass es Jonah Stevens gewesen war, der diese Keule oder was das auch gewesen war, geschwungen hatte. Aber das war unsinnig. Wie hätte er wissen können, wo sie waren, geschweige denn, dass sie sich in Gefahr befanden? Wie hätte er so schnell dorthin gelangen können? Ein verrückter Gedanke.
Und doch …
»Und was habt ihr beide in den letzten Tagen so gemacht? Wart ihr in der Stadt?«
Emma blickte ihn verblüfft an. »Natürlich nicht. Du weißt doch, wie sehr dein Vater es verabscheut, auszugehen.«
»Ihr wart also immer nur zu Hause?«
»Warum fragst du?«
»Ach, ich weiß nicht. Ich dachte, ich hätte Dad gesehen, als wir Montagabend in der Stadt waren – oder jemanden, der ihm ziemlich ähnlich sieht.«
Jim meinte, er hätte ein Zögern bemerkt, aber er war sich nicht sicher.
»Das ist doch albern, Jim. Dein Vater war die ganze Nacht mit mir zusammen. Trotzdem … was hat dieser Mann denn gemacht?«
»Er ging nur an uns vorbei, Ma.«
»Ach. Na jedenfalls waren wir Montagabend zu Hause. Wir haben uns Felony Squad und danach Peyton Place angesehen.« Sie seufzte. »So wie fast jeden Montagabend.«
Das Thema sollte damit eigentlich beendet sein, aber es war es nicht. Die Fragen ließen sich nicht beiseite schieben. Und dann kam ihm ein Gedanke.
»Ist das Tor zur Garage offen?«
»Ich glaube ja. Warum?«
»Ich dachte, ich könnte mir vielleicht einen« – seine Gedanken rasten, als er überlegte, was er sich borgen könnte – »einen Zollstock ausleihen. Ich will ein paar der Räume in der Villa ausmessen.«
»Sicher. Sieh zu, was du findest. Ich warte mit Carol draußen im Wagen.«
»Bis gleich!«
Emma ging zur Haustür hinaus, während Jim durch die Hintertür in die Garage hastete. Er suchte die Wand ab, an der Jonah seine Gartengerätschaften an Nägeln und Haken aufgehängt hatte. Er sah Hämmer und Beile, sogar einen Hartgummifäustel, aber die waren alle zu klein. Ihr Retter am Montag hatte eine längere, schwerere Waffe
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