Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
mit euch teilen.«
Carol sah, wie Emma die Augen aufriss.
»Oh, Jimmy …«
Jim unterbrach sie. »Nein, das ist mein Ernst. Das Leben, das ihr mir ermöglicht habt, kann ich euch nie vergelten, aber ich will, dass ihr beide ausgesorgt habt, dass ihr euch keine Gedanken über Kurzarbeit und Grundsteuern und solche Sachen mehr machen müsst. Ich will euch eine Million Dollar geben.«
Als Emma zu weinen begann, legte Carol ihr den Arm um die Schultern und drückte sie sacht. Sie und Jim hatten in der letzten Nacht darüber geredet. Er wollte das nicht ohne ihre Zustimmung tun und sie hatte ihn dabei bestärkt. Sie wünschte nur, auch ihre Eltern würden noch leben, damit sie ihnen auch etwas hätten abgeben können.
Jim sagte: »Dad, du kannst aufhören zu arbeiten und dir einfach ein gutes Leben machen, wenn du willst.«
Jonah starrte sie einen Moment lang an, dann sprach er mit seiner schleppenden, etwas nasalen Stimme.
»Das ist sehr großzügig von dir, Sohn, und es ist bestimmt schön, wenn man sich nicht darüber sorgen muss, ob man einen sicheren Arbeitsplatz hat, aber ich glaube, ich werde weiter arbeiten. Ein Mann muss arbeiten.«
»Wenigstens kannst du dir jetzt eine sesshafte Tätigkeit suchen.«
»Eine sitzende Tätigkeit, Ma.«
»Das sag ich doch. Eine, wo er mehr zum Sitzen kommt und nicht mehr so hart arbeiten muss.«
»Fürs Erste behalte ich meinen Job im Schlachthof«, sagte Jonah bestimmt. »Natürlich nur, wenn niemand von euch etwas dagegen einzuwenden hat.«
Carol fühlte sich durch den Sarkasmus in seiner Stimme ein wenig vor den Kopf gestoßen, aber das verging schnell angesichts des Ekels, den sie gegen Jonahs berufliche Tätigkeit empfand und der Erkenntnis, dass er diese Tätigkeit zu sehr liebte, um sie aufzugeben.
VII
Samstag, 2. März
Jackson Heights
1.
Nickys Turm und seine Dame bereiteten eine Falle für Bills König vor, aber er meinte, er habe einen Ausweg gefunden. Er schob seinen verbliebenen Läufer auf ein Feld, wo er Nickys Dame bedrohte.
»Du bist dran.«
»Hetz mich nicht«, sagte der Zehnjährige, dann sah er auf und setzte hinzu: »Pater. Ich muss darüber jetzt nachdenken.«
Bills Gedanken wanderten. Fünf Tage waren vergangen seit der Gewalttat von Montagabend. Wenn er tief Luft holte, schmerzte es immer noch an den Stellen, wo er in die Rippen getreten worden war, aber er konnte seine Arbeit erledigen und jeder hatte die Geschichte mit dem Sturz auf dem glatten Eis akzeptiert. Sein Körper heilte, aber sein Verstand, seine Seele – er war sich nicht sicher, ob die sich jemals davon erholen würden.
»BLUTBAD IM VILLAGE!«, lauteten die Schlagzeilen. Sechs Leichen – vier an einer Stelle und zwei weitere jeweils an den entgegengesetzten Enden des Blocks –, alle mit einem einzigen fürchterlichen Schlag auf den Schädel getötet. Die Polizei ging von einem Bandenkrieg unter Drogenhändlern aus, weil sie bei den Opfern so viele Amphetamine gefunden hatten.
Die Opfer … welch eine Ironie. Wir wären beinahe deren Opfer gewesen. Und das, was ihnen passiert war, war wahrscheinlich genau das, was sie uns zugedacht hatten.
Trotzdem schien es ihm nicht richtig.
Natürlich könnte er der Polizei bei der Lösung des Falles nicht im Geringsten weiterhelfen, dennoch kam es ihm falsch vor, seine Verstrickung darin zu verschweigen. Er war zutiefst davon überzeugt, dass immer alles offen, ehrlich und über alle Zweifel erhaben sein sollte. Ein unerreichbares Ideal, das war ihm klar, eines, über das die Welt da draußen lachen würde, aber eines, dass er so gut wie möglich in seinem Leben realisieren wollte.
Jede utopische Idee fängt einmal klein an.
Aber auch eine andere Frage nagte an ihm. Wer war ihr Retter? Und warum? War er eine Art selbsternannter Ordnungshüter? Jemand, der einfach nur Spaß daran hatte, andere Menschen zu töten? Oder beides?
Er schob die Fragen zur Seite. Er war zu müde, um sich heute damit zu beschäftigen. Und es würde ja auch keine Antworten geben. Zumindest konnte er nichts dazu beitragen. Und zurzeit schlief er auch nicht so gut wie sonst. Die erregenden, lüsternen Gedanken an Carol wühlten ihn zu sehr auf, um Schlaf zu finden.
Damit musste Schluss sein.
Er riss sich zusammen und richtete seine Konzentration wieder auf sein wöchentliches Schachspiel mit Nicky.
»Es gibt da jemanden, von dem ich finde, dass du ihn kennenlernen solltest«, sagte er.
»Und wer ist das?«
»Ein neues Ehepaar, das einen
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