Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
benutzt, mit nur einer Hand, in der er eine Menge Kraft hatte. Jim hob ein Felgeneisen auf und wog es prüfend in der Hand. Das könnte es gewesen sein, aber es kam ihm nicht richtig vor.
Was tue ich hier eigentlich?
Sein Vater – Jonah – hatte nichts mit diesem Irrsinn vom Montagabend zu tun. Sicher, er war ein merkwürdiger Kerl, kühl, abweisend, man kam an ihn einfach nicht heran – Jim hatte das wirklich jahrelang probiert! –, aber er war kein wahnsinniger Mörder.
Tatsächlich war Jonah nicht einfach nur verschlossen. Er war vollkommen undurchschaubar. Vielleicht verstand Ma, was da hinter dieser undurchdringlichen Granitfassade vor sich ging, aber Jim überhaupt nicht. Er war sich auch gar nicht sicher, ob er das wirklich wissen wollte. Wahrscheinlich würde ihm nicht gefallen, was er da finden könnte. Auch wenn er nie eine entsprechende Handlung mit angesehen hatte, spürte er den gewalttätigen Kern seines Adoptivvaters. Das, was einem Beweis dafür am nächsten kam, hatte sich in seinem zweiten Jahr an der Highschool ereignet, als er beim Football den Quarterback des Glen-Cove-Teams gerammt und ihm den Arm gebrochen hatte. Vorher hatte sich Jonah kaum für den Sport interessiert. Aber als Jim ihm schuldbewusst gestanden hatte, wie sehr er es genossen hatte, zu hören, wie die Knochen brachen, da war Jonah plötzlich ein aufmerksamer Zuhörer gewesen, der jede Einzelheit des Ereignisses wissen wollte.
Danach hatte Jonah nicht eines der Spiele mehr verpasst. Aber was er an menschlicher Wärme und Güte vermissen ließ, machte er durch seine Verlässlichkeit wieder wett. Er war immer für ihn da gewesen. Er war ein harter Arbeiter und hatte gut für sie gesorgt. Er drängte seinen Adoptivsohn nicht in eine bestimmte Richtung, aber er versuchte auch nicht, ihm etwas auszureden. Er war eher ein Beschützer als eine Vaterfigur. Jim brachte dem Mann vielleicht keine Liebe entgegen, aber er fühlte sich auf jeden Fall in seiner Schuld.
Er wollte gerade ins Haus zurückkehren, als er die Brechstange in der Ecke stehen sah. Er hatte sie kaum hochgehoben und damit ausgeholt, da wusste er, dies war die Waffe. Nicht unbedingt genau diese, aber ein ähnliches Werkzeug. Er war sich sicher, es gab nichts zu finden, aber er sah sich trotzdem die vordere Kante des kürzeren Endes an. Er lächelte in sich hinein.
Was würde ich denn tun, wenn ich jetzt getrocknetes Blut und Haarreste finden würde?
»Das ist gar nicht so einfach, damit ein Zimmer auszumessen«, ertönte eine tiefe Stimme hinter seinem Rücken.
Mit klopfendem Herzen fuhr er herum. Die hochgewachsene, hagere Gestalt, die sich vor dem Garagentor abzeichnete, sah fast genauso aus wie der Mann, der ihnen Montagnacht zu Hilfe gekommen war.
»Dad! Erschrick mich nicht so!«
Jonahs angedeutetes Lächeln war ohne Wärme und seine Augen durchbohrten Jim, als er in die Garage trat.
»Weswegen bist du denn so nervös?«
»Ach nichts.« Jim stellte das Brecheisen hastig wieder in der Ecke ab und hoffte, er wirke nicht so schuldbewusst, wie er sich fühlte. »Wo hast du denn deine Zollstöcke versteckt?«
Jonah griff in seinen Werkzeugkoffer und zog das Gesuchte heraus. »Da, wo sie immer sind.« Er deutete auf die Tür. »Wir sollten gehen. Die Frauen warten.«
»Natürlich.«
Jim ging voraus und dachte, was für ein Trottel er doch war, weil er sich so unbehaglich fühlte. Seine Mutter hatte gesagt, Jonah sei die ganze Nacht zuhause gewesen, und an dem Brecheisen gab es keine Spuren. Was wollte er mehr?
Nichts. Es war nur so, dass das Brecheisen zu sauber war. Jedes andere Werkzeug in der Garage hatte einen leichten Staubüberzug, weil es seit Monaten nicht mehr benutzt worden war – nur das Brecheisen nicht. Sein sechseckiger Griff war frei von Dreck und Öl, als hätte jemand es in den letzten Tagen geschrubbt.
Er beschloss, nicht weiter daran zu denken.
4.
Carol saß auf dem Beifahrersitz und sah zur Hanley-Villa hinüber, die hinter einer hohen Steinmauer aufragte. Jim öffnete gerade das schmiedeeiserne Tor. Die Stahlspitzen ragten drei Meter hoch und bestanden aus einem kunstvoll verschlungenen Flechtwerk im unteren Bereich und gefährlich aussehenden Spitzen oben. Hinter dem Tor stand das Haus und es war wunderschön. Sie hätte sich nie träumen lassen, jemals in so einer Villa zu wohnen.
Als Jim wieder in den Wagen stieg und die Auffahrt hinauffuhr, sah sie das ganze Haus in all seiner Pracht und es raubte ihr erneut den Atem,
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