Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
so wie schon gestern.
»Oh ist das schön!«, rief Emma vom Rücksitz aus.
Jonah saß neben Emma und schwieg, aber Carol erwartete von Jonah kaum jemals eine Äußerung. Sie saugte den Anblick der dreigeschossigen Villa in einem Mix aus französischem und italienischem Stil in sich auf, die zwischen Pinien und Weiden aufragte und von der man einen herrlichen Blick auf den glitzernden Long Island Sound hatte.
Die Holzverkleidung war cremefarben und gut gepflegt, das Mansardendach dunkelbraun. Ein fünf Stockwerke hoher viereckiger Turm erhob sich über der Mitte der vorderen Veranda. Im obersten Stockwerk verliefen rundherum kunstvoll verzierte Mansardenfenster, die Erkerfenster an allen Ecken mit Blumen- und Pflanzenmustern verziert. Ein halbrundes Oberlicht schloss die Eingangstür nach oben hin ab.
Carol führte sie die drei Stufen zu der Veranda hoch. Rechts hing eine Hollywoodschaukel aus Rattan an Ketten von den Balken und daneben standen Rattanstühle. In die schmalen Lichtfenster zu beiden Seiten der Haustür waren grazile Reiher und kunstvoll geschwungene Sträucher eingeätzt.
Emma war in der Einfahrt zurückgeblieben und starrte das alles nur an.
»Komm schon, Ma.«
»Mach dir um mich keine Gedanken. Ich komme schon noch. Ich trödele hinter euch her wie üblich.«
Carol warf Jim einen warnenden Blick zu.
»Ich sage kein Wort«, flüsterte er.
Hinter der schweren eichenen Eingangstür erstreckte sich eine schmale Diele, die mit Stehlampen und Topfpflanzen auf Blumenständern überfrachtet war. Carol hatte den größten Teil des gestrigen Nachmittags damit zugebracht, jeden durstigen Farn und jede Grünpflanze zu gießen. Rechts führte eine Treppe nach oben. Der Läufer mit dem Blumenmotiv wurde von einer Reihe Messingstangen gehalten, die jeweils an die untere Kante jeder Stufe geschraubt waren. Eine Kombination aus Spiegel, Hut- und Schirmständer aus kunstvoll gedrechseltem Walnussholz stand auf der linken Seite.
»Seht euch nur den vorderen Salon an«, sagte sie und führte sie nach rechts.
Emma blieb wie angewurzelt auf der Schwelle stehen. »Oh mein Gott! Es ist so … so …«
»Arbeitsintensiv ist das richtige Wort dafür, glaube ich«, meinte Jim.
Carol nickte. »Ein richtiges viktorianisches Haus ist nun einmal sehr arbeitsintensiv.«
Bei ihren Erkundungen hatte sie festgestellt, dass Hanley offenbar keine Kosten und Mühen gescheut hatte, dem Haus wieder zu seinem alten Prunk zu verhelfen. Und es war ganz bestimmt arbeitsintensiv: Gestreifte Tapeten, geblümte Teppiche, mit Troddeln versehene Lampen, jeder Stuhl war mit spitzenbesetzten Hussen versehen, in jeder Ecke standen ausladende Pflanzen auf mehrstöckigen Blumengestellen. Vor dem Erkerfenster wucherte ein ganzer Dschungel. Die Wände waren übersät mit Gemälden und alten Fotografien. Kärtchen und Kistchen mit Krimskrams und Souvenirs türmten sich auf jeder verfügbaren Oberfläche, stapelten sich auf den Tischplatten, auf dem Harmonium, dem Sims über dem Kamin aus Carraramarmor. Ein Albtraum für ein Zimmermädchen.
»Ich würde sagen, in dem Zimmer hier wäre von meinem Staubwedel in allerkürzester Zeit nur noch ein Stummel übrig!«, meinte Emma.
»Lass mich dir die untere Bibliothek zeigen, Dad«, regte Jim an.
»Die untere? Heißt das, es gibt mehr als eine?«
»Zwei. Die oben ist so etwas wie eine naturwissenschaftliche Fachbibliothek. Aber die untere ist größer.«
»Was soll man mit mehr als einer?«, grummelte Jonah, folgte Jim aber in die Diele zurück.
»Warte nur ab, bis du die Stereoanlage siehst.«
»Und du musst dir unbedingt die Küche ansehen«, sagte Carol zu Emma.
»Du meine Güte. Ich hoffe, sie ist nicht so, na ja, stilecht wie der Salon.«
Carol lachte und ging voran durch den Flur. »Nicht mal annähernd.«
Die Küche war riesig, mit einem elektrisch geheizten doppelten Backofen, einem großen Kühlschrank und einer Gefriertruhe. Der Fußboden war zum Teil gefliest, zum Teil bestand er aus Pinienholzparkett. Der Raum wurde von einem wuchtigen, zwei Meter langen rechteckigen Eichentisch mit Klauenfüßen dominiert, der genau in der Mitte stand.
Carol und Emma trafen im Wohnzimmer mit den bunten Bleiglasfenstern wieder auf Jim und Jonah.
»Wer hätte sich je träumen lassen, dass dieses Haus einmal unserem Sohn gehören wird«, sagte Emma und hängte sich an Jonahs Arm. »Und das ist nur das Erdgeschoss.«
»Darüber wollte ich mit euch beiden reden«, sagte Jim. »Ich will mein Erbe
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