Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
erinnere mich nicht sehr gut an deinen Vater, aber das geht jetzt doch zu weit, Jim. Dieser Kerl war effizient – auf grausame Weise effizient. Ich meine, er hat die Kerle einen nach dem anderen erledigt. Ein Schlag pro Person.«
»Weißt du, womit mein Vater seinen Lebensunterhalt verdient?«
»Er ist Schlachter oder so was, nicht wahr?«
Carol hörte, wie Jims Stimme plötzlich tonlos wurde.
»Er arbeitet zwar im Schlachthaus, aber er ist kein Schlachter. Er tut den ganzen Tag nur eine Sache und ich schätze, darin ist er ziemlich gut. Wenn die zu schlachtende Kuh hereingeführt wird, ist es seine Aufgabe, ihr mit einem Vorschlaghammer den Schädel einzuschlagen, bevor ihr die Kehle durchgeschnitten wird.«
Monroe
14.
Emma hörte, wie Jonahs Wagen in die Auffahrt fuhr. Sie versuchte ihre Aufregung zu unterdrücken, während sie sich ausmalte, wie es dieses Mal wohl sein würde. Manchmal verschwand er spät am Abend und kam dann zurück, setzte sich ins Wohnzimmer ohne das Licht anzumachen und trank Bier. An anderen Tagen …
Sie fragte sich, wohin er bei diesen kleinen Ausflügen verschwand. Was tat er dann? Wonach suchte er? Wie bei so vielen anderen Dingen, die mit Jonah zu tun hatten, lernte man schnell, besser nicht zu fragen. Es führte zu nichts.
In diesem Moment war es ihr ziemlich egal, wonach er da draußen gesucht hatte, sie hoffte nur, dass er es gefunden hatte. Denn in solchen Fällen setzte er sich nicht ins Wohnzimmer, wenn er nach Hause kam. Stattdessen kam er dann direkt ins Schlafzimmer. Und wenn das passierte, dann war er immer erregt. Sehr stark erregt.
Und wenn er in dieser Stimmung war, dann versetzte er sie in unvorstellbare Ekstase.
Emma hörte, wie er aus der Garage in die Küche kam.
»Ist alles in Ordnung?«
»Bestens, Emma. Alles ist bestens.«
Sie spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte, als sie hörte, wie seine Schritte am Wohnzimmer vorbeiführten, den Korridor entlang. Sie spürte, wie sie zwischen den Beinen feucht wurde, als er den Raum betrat und begann, seine Kleider abzulegen. Sie hörte seinen schnellen Atem und spürte seine Erregung wie eine pulsierende Gegenwart im Zimmer.
Er glitt ins Bett und presste sich gegen ihren Rücken. Er war hart und fest, wie Eiche, wie Eisen. Sie drehte sich zu ihm und spürte seine Arme, die sie umschlangen, spürte, wie seine Hände an ihren Schenkeln entlangglitten und den Saum ihres Nachthemds anhoben.
Dies würde eine von diesen Nächten sein. Vielleicht sogar die Beste überhaupt.
VI
Aschermittwoch, 28. Februar
Manhattan
1.
»Bedenke, Mensch, aus Staub kommst du und zum Staub wirst du zurückkehren.«
Grace sinnierte über die Worte des Priesters, als der seinen Daumen in die Asche der Palmwedel des vergangenen Jahres drückte und damit ein winziges Kreuz auf ihre Stirn zeichnete. Sie bekreuzigte sich ebenfalls und schritt über den Zentralgang der St. Johns Kirche dem Ausgang entgegen.
Draußen auf den Stufen der Kirche zuckte sie zusammen, als jemand sie am Arm berührte.
»Sie sind doch Grace Nevins, nicht wahr?«
Sie drehte sich um und sah einen mageren, eifrig wirkenden Mann, der vielleicht halb so alt war wie sie. Er war bleich; der dunkle Aschefleck auf seiner Stirn betonte nur noch seine Blässe. Sein blondes Haar war so dünn und strähnig, dass die Kopfhaut darunter durchschimmerte. Sein Mund schien zu groß für das Gesicht, seine Nase zu klein. Man hätte zwei von seiner Statur in den Wintermantel stecken könnten, den er um sich schlang. Der Mantel war von guter Qualität, ihm aber viel zu weit.
»Wer sind Sie?«
»Ich heiße Martin Spano. Wir haben nach Ihnen gesucht.«
Grace hatte sofort ein mulmiges Gefühl. Warum sollte jemand nach ihr suchen?
»Sie haben mich gefunden.«
»Das war nicht einfach. Ich habe am letzten Sonntag nach jeder Messe vor der St. Patricks Kirche gewartet. Sie waren nicht da. Der Heilige Geist hat mich dann wieder hierher zurückgeführt. Das hier ist meine Gemeinde.«
»Was wollen Sie von mir?«
»Bruder Robert hörte von dem, was bei der Chorprobe in der St. Patricks Kirche letzte Woche geschehen ist.«
Grace drehte sich um und begann die Stufen hinabzusteigen.
»Ich will darüber nicht reden.«
Sie war seit dieser furchtbaren Nacht nicht wieder in der St. Patricks Kirche gewesen. Sie besuchte jetzt stattdessen die Messen in St. Johns. Die Kirche war auch näher an ihrer Wohnung. Und weswegen hätte sie dorthin zurückgehen sollen?
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