Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
bemerkte, dass er zum ersten Mal seit seiner Ankunft Interesse an dem dort Gesagten bekundete. Sogar starkes Interesse. Er hatte sich auf seinem Stuhl vorgebeugt und hing mit den Augen an Bruder Roberts Lippen.
»›Aber was hat das mit dem Antichrist zu tun?‹, werdet ihr fragen. Lasst euch vom Heiligen Geist leiten, wie ich das getan habe, und ihr werdet erkennen, dass das Wesen, das auf diese Weise erschaffen wurde, kein Mensch ist. Ja, er mag aussehen wie ein Mensch, und er mag sich verhalten wie ein Mensch, er mag sprechen wie ein Mensch, aber er ist ein leeres Gefäß ohne Seele. Ohne Seele! Denn wie kann er eine Seele haben? Er ist kein neues menschliches Wesen, geschaffen aus der Vereinigung von Mann und Frau, jemand, der dadurch eine neue Seele besitzt. Nein. Er ist nur eine Ansammlung von Zellen, die ein Wissenschaftler sich selbst entnommen hat, um Gott zu spielen. Und damit ist er das perfekte Gefäß für den Teufel! Satan hat sich des seelenlosen Körpers bemächtigt und steht bereit, die Erlösung zunichte zu machen, die Jesus Christus uns gebracht hat!«
Die Erwählten stießen Rufe des Erstaunens und der Besorgnis aus. Grace hielt sich zurück. Sie schlang ihre Arme um sich, um die Kälte abzuwehren, die langsam in ihren Körper sickerte.
»Denkt nur einmal nach«, fuhr Bruder Robert fort. »Der Heilige Geist hat uns im letzten Monat den Antichrist enthüllt. Wir haben seine verabscheuungswürdige Gegenwart gespürt. Diesem Bericht zufolge wurde der Wissenschaftler vor vier Wochen bei einem Flugzeugabsturz getötet.«
Vor genau einem Monat? Bei einem Flugzeugabsturz? Das klang vertraut. Graces Frösteln wurde immer stärker.
»Als sein Testament eröffnet wurde, stellte es sich heraus, dass dieser Wissenschaftler sein ganzes Vermögen – viele Millionen Dollar – einem jungen Unbekannten vermacht hat, der genauso aussieht wie er in jüngeren Jahren. Aufzeichnungen über die blasphemischen Experimente des Wissenschaftlers hat man unter seinen Papieren gefunden. Sie decken die ganze grauenvolle Geschichte auf.«
Grace gefiel das Szenario, das Bruder Robert da beschrieb, immer weniger. Es klang zu sehr nach …
»Und haltet ihr das nicht auch für merkwürdig und ausgesprochen günstig für den Erben – denn so nenne ich ihn, den Erben des Teufels! Kam es diesem Erben nicht sehr zupass, dass sein Schöpfer gerade dann starb, als wir uns der Gefahr durch den Antichrist gewahr wurden? Ist es für ihn nicht praktisch, dass diese seelenlose Kreatur plötzlich reicher ist, als man es sich vorstellen kann? Dass er plötzlich über finanzielle Mittel verfügt, mit denen man sich Macht und Einfluss erkaufen kann, Dinge, mit denen sich das Schicksal der Menschheit beeinflussen lässt? Bin ich der einzige, der hier mehr als bloßen Zufall am Werk sieht?«
Ein entschlossenes »Nein« scholl ihm von allen Seiten entgegen. Grace blickte zu Mr Veilleur hinüber und bemerkte, dass er sie ansah. Sein Gesichtsausdruck war ernst.
»Ich befürchte, euer Bruder Robert könnte recht haben«, sagte er mit leiser Stimme zu Grace. »Mehr als er selbst weiß.«
»Wer weiß, welche Pläne das Böse verfolgt, um das Werk von Gottes Sohn und seinen Gläubigen zu zerstören? Ich bin sicher, selbst in unseren wahnwitzigsten Albträumen können wir uns nicht einmal einen geringen Teil des Grauens vorstellen, das er für uns bereit hält.
Und doch ist hier auch noch eine andere Hand am Werk. Eine, die uns als die Speerspitze in dem Kampf gegen diese Ausgeburt des Bösen auserkoren hat. Bald wird die Welt wissen, dass er der Klon eines toten Wissenschaftlers ist. Aber wir wissen, dass er mehr, viel mehr ist. Wir wissen, dass er der Antichrist ist, und dass es unsere Aufgabe ist, ihn aufzuhalten.«
»Aber wie?«, rief Martin aus der ersten Reihe.
»Reißt ihm die Maske vom Gesicht!«, wetterte Bruder Robert und klopfte mit der zusammengerollten Zeitung auf das Pult. »Lasst die Welt wissen, wer er ist. Vorgewarnt ist vorbereitet. Die Macht der Wahrheit und die Hilfe des Gottessohnes, des wahren Christus, sind unsere Waffen gegen ihn.«
»Aber wie sollen wir das tun?«, fragte eine andere Stimme.
»Wir stellen uns ihm da, wo er wohnt. Wir demonstrieren. Die Neger in unserem Land gehen für Bürgerrechte auf die Straße, die, die man Hippies nennt, für den Frieden. Die Auserwählten werden für Christus auf die Straße gehen. Durch den Artikel in The Light werden alle Augen auf ihn gerichtet sein – vielleicht will
Weitere Kostenlose Bücher