Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld
ihn fast getötet hatte, als er sie nicht mehr trug.
Er schüttelte die Vergangenheit ab und spürte einen Kloß im Hals, als er an den Mann dachte, der die hier gemacht hatte.
»Walt. Du warst der Beste.«
Er wühlte in der Badewanne und fand auch die zweite Halskette, stöhnte jedoch auf, als er sie sich näher ansah. Sie war nur halb fertig. Die Kettenglieder der linken Seite waren unbearbeitet. Walt war nicht mehr dazu gekommen, sie zu gravieren, bevor … bevor ihm passiert war, was ihm passiert war.
Eine und eine halbe Halskette würden nicht reichen. Zu Jacks Plan gehörten zwei Kopien, um an zwei echte Ketten heranzukommen.
Er stemmte sich hoch und stopfte sich die fertige Kette in die Tasche. Er brauchte einen neuen Plan.
Draußen auf der Straße sah er sich nach dem Betrunkenen um. Er saß an der Ecke am Straßenrand. Er rief zu ihm hinüber, aber der Kerl starrte völlig versunken in den Gully zu seinen Füßen. Jack ging zu ihm hin.
»Hey, Kumpel. Ich bringe dich an einen sicheren Ort, wo du deinen Rausch ausschlafen kannst.«
Der Mann sah auf. »Du unnen isch jemand.« Er deutete auf den Abwasserkanal. »Ich kann ’n nisch schehn, aber ich hör’n rumlaufen.«
Jack überlegte, ob sich Menschen in den Abwasserkanälen verstecken konnten.
»Toll. Aber ich glaube nicht, dass Sie durch die Öffnung passen, also …«
»Kann bestimmt wasch schu trinken ‘brauchen.«
Der Kerl beugte sich vor, um einen Schluck Rum in den Gully zu kippen.
Etwas schoss aus dem Kanal hoch, etwas Langes, Dickes, Braunes, das um sich peitschte, den Betrunkenen am Nacken packte und ihn mit dem Gesicht voran gegen den Rost knallte. Dann begann es, ihn in die Öffnung im Bordstein zu ziehen. Nicht langsam, allmählich und unaufhaltsam, sondern mit heftigem Zerren, begleitet von spritzendem Blut und verzweifeltem, aber nutzlosem Zappeln mit den Armen und Beinen. Ein dreimaliges Zerren reichte aus.
Bevor Jack sich von dem Schrecken erholen und einen Schritt tun konnte, um dem Mann zu helfen, war der verschwunden. Alles, was von ihm zurückblieb, waren Blutspritzer und eine auf der Seite liegende Bacardi-Flasche, die sich hinter ihrem Besitzer her langsam in den Abfluss ergoss.
Das waren keine Menschen, die sich in den Abwasserkanälen vor den Kreaturen der Nacht versteckten. Das waren Kreaturen der Nacht – große Kreaturen –, die sich vor dem Tageslicht versteckten.
Jack ging ein paar Schritte rückwärts, dann drehte er sich um und rannte zu seinem Auto. Er musste noch einen Stopp einlegen, bevor er sich auf den Weg nach Monroe machte: Astoria.
RADIO WFPW
FREDDY: … und auf See scheint die Queen Elizabeth 2 verschollen zu sein, Leute. Sie hat sich am Sonntagabend das letzte Mal gemeldet und seitdem – nada. Wenn sie auf eines dieser Gravitationslöcher getroffen wäre, dann hätte sie Rettungsrufe rausgeschickt. Das einzige verbliebene Suchflugzeug der Seenotrettung hat keine Überlebenden gefunden. So eine Scheiße, Mann.
< Einspielung: Beyond the Sea >
Da die Queensboro Bridge nicht mehr funktionstüchtig war, musste Jack den Midtown Tunnel nehmen und steckte im Stau. Als er schließlich das Menelaus-Anwesen in Astoria erreichte, war er überrascht über dessen Zustand: Die angrenzenden Häuser die Straße hoch und runter waren alle stark von den Krabblern beschädigt, aber das alte Backsteinhaus war völlig intakt, fast … unbeleckt.
Jack betätigte den Klopfer an der Haustür. Lyle Kenton öffnete. Er sah furchtbar aus – die Augen lagen tief in den Höhlen, die Haut war von einem trüben Schwarz und seine üblicherweise sorgfältig frisierten Dreads zerzaust.
»Jack?« Er trat einen Schritt zurück und hielt ihm die Tür auf. »Du bist so ziemlich der Letzte, mit dem ich gerechnet hätte.«
Jack trat ein. »Nun, du bist der Hellseher. Du hättest mein Kommen erwarten sollen.«
Lyle lächelte nicht. »Charlie ist weg.«
»Was soll das heißen, weg?«
Lyles Bruder war vor einigen Jahren gestorben, aber ein Teil von ihm – sein Geist, seine Essenz, seine Persönlichkeit, was auch immer – war zurückgeblieben.
»Weg, so wie, nicht mehr hier. So wie, ich kann ihn nicht erreichen. So wie, er antwortet nicht, wenn ich ihn rufe.«
»Seit wann?«
Lyle fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. »Letzten Mittwoch. Er weckte mich ganz früh morgens auf – draußen war es noch stockfinster – und sagte, dass etwas nicht stimme. Nein, warte, er sagte, dass nichts mehr stimme. Er sagte, er wäre vor die
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