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Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Titel: Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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nicht sicher, inwiefern. Ihre weit auseinander stehenden dunklen Mandelaugen, die hohen Wangenknochen, die vollen Lippen und die makellose milchkaffeebraune Haut waren so, wie er sie in Erinnerung hatte. Vielleicht lag es an ihrem Haar. Sie hatte es wachsen lassen, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Es fiel ihr lang über die ihm zugewandte Schulter und spielte im fauligen Lufthauch wie eine Mähne aus Ebenholz. Nein, es war nicht das Haar. Es war etwas anderes, etwas in ihr.
    Gute Frage, dachte er. Was weiß ich wirklich von ihr?
    »Ich weiß, dass du dich nicht lange mit Menschen abgibst, die eine andere Meinung haben als du.«
    Sie drehte sich um und starrte ins Tal hinunter.
    »Das jetzt ist nicht der wirkliche Moki – wenigstens nicht der Moki, der bis vor einer Woche mein Leben mit mir geteilt hat.«
    Das Leben mit ihr geteilt? Jack wollte gerade eine spitze Bemerkung über die Fähigkeit dieser mehr als hundertfünfzig Jahre alten Frau machen, irgendetwas mit irgendjemandem zu teilen, als er sah, wie sich ein Tropfen Flüssigkeit in ihrem Augenwinkel sammelte und ihre Wange hinunterlief.
    Eine Träne. Eine Träne von Kolabati.
    Jack war sprachlos. Er drehte sich um und sah durch den Türrahmen ins Haus, wo Moki wie der Verrückte arbeitete, der er ja auch war. Aber woran arbeitete er? Schlief er denn nie? Er hatte ihnen stundenlang Vorträge gehalten, dann war er nach oben gerannt und hatte begonnen, an den zerstörten Skulpturen zu arbeiten, die im Wohnzimmer herumlagen, sie neu zu formen und aus den Überresten ein einziges, großes, neues Werk zu erschaffen. Ba war dort bei ihm, saß in einer Ecke, trank Tee und sah ihm fasziniert zu.
    »Er war wunderbar«, sagte Kolabati.
    Jack sah sie erneut an. Die Träne war noch da, es hatten sich sogar andere zu ihr gesellt.
    »Du liebst ihn?«
    Sie nickte. »Ich liebe den, der er gewesen ist.« Sie drehte sich zu Jack um und wischte sich über die Wangen. »Ach Jack, du hättest ihn auch geliebt. Wenn du ihn doch damals gekannt hättest. Er war sanft, er war so lebendig und er war so sehr ein Teil dieser Welt, dieser Inseln. Ein Genie, ein wahres Genie, das mit seiner Gabe nicht angab, weil er sie für selbstverständlich hielt. Er versuchte nie, jemanden zu beeindrucken; er wollte nie jemand anderes sein als Moki. Und er wollte mit mir zusammen sein. Mit mir! Mit niemand anderem. Ich war glücklich, Jack. Ich war verliebt. Ich dachte, ich hätte das Nirvana auf Erden gefunden und ich wollte, dass es für immer so sein würde. Es hätte so sein können, Jack. Du weißt, es hätte sein können.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nichts hält ewig.« Er streckte die Hand aus und berührte ihre Halskette. »Nicht einmal damit.«
    »Aber so schnell. Wir hatten uns gerade eingerichtet.«
    Er durchforschte ihr Gesicht. Da war der Unterschied. Das scheinbar Unmögliche war passiert. Kolabati, die kalte, hochmütige, selbstverliebte, rücksichtslose Kolabati, die ihn losgeschickt hatte, ihren eigenen Bruder zu töten, die mit ihrer eigenen und mit Kusums Halskette gegangen war und ihn verblutend auf einem Stuhl zurückließ, weil er ihr Angebot scheinbarer Unsterblichkeit abgelehnt hatte – Kolabati Bakhti hatte sich verliebt und das hatte sie verändert. Vielleicht für immer.
    Erstaunlicherweise begann sie zu weinen – tiefe, inbrünstige Schluchzer echten Kummers, die Jack zu schaffen machten. Er war hierhergekommen in der Erwartung, die alte, kalte, berechnende Kolabati vorzufinden, mit der hätte er umgehen können. Auf das neue Modell war er nicht vorbereitet.
    Er widerstand der Versuchung, sie in die Arme zu nehmen. Es war völlig unabsehbar, was Moki-der-Unzerstörbare tun würde, falls er das sah. Er begnügte sich damit, ihre Hand zu berühren.
    »Was kann ich tun? Was bringt das wieder in Ordnung?«
    »Wenn ich das nur wüsste.«
    »Vielleicht liegt es an der Kette. Vielleicht ist die ein Teil des Problems – vielleicht ist sie überhaupt erst das Problem. Vielleicht, wenn du sie ihm abnimmst …«
    »Und sie durch eine Kopie austausche?« Mit blitzenden Augen suchte sie in der Tasche ihrer Muumuu. Sie zog eine Halskette hervor, die ihrer eigenen bis aufs Haar glich. »Mit der hier vielleicht?«
    Da Kolabati eine der echten Ketten trug und Moki die andere, musste das Jacks Fälschung sein.
    Er schluckte. »Wo hast du die her?«
    »Aus deinem Seesack.« Ihr Blick wurde hart. »War das dein Plan? Die Halskette meines Bruders zu stehlen und sie durch eine Kopie

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