Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld
dieses Thema, aber wir haben nie wirklich darüber gesprochen.«
»Alan, bitte.« Sie trat neben den Rollstuhl und strich ihm mit den Fingern zärtlich durch das Haar, dann ließ sie sie in seinen Nacken gleiten, in der Hoffnung, ihn abzulenken. Sie wollte nicht an diese Sache denken. »Bitte tu das nicht.«
Aber Alan ließ sich diesmal nicht vom Thema abbringen.
»Wo ist das Dat-Tay-Vao, Sylvia? Wo ist es hin? Wir wissen, es ist von Erskine auf mich übergegangen, als er starb. Wir wissen, ich hatte es noch, als ich Jeffys Autismus geheilt habe. Aber als ich im Krankenhaus aus dem Koma erwachte, da war es weg. Ich kann nicht mehr heilen, Sylvia. Die Flut kommt, aber meine Berührung unterscheidet sich in nichts von der aller anderen Menschen. Also, wo ist es hin? Wo ist das Dat-Tay-Vao jetzt?«
»Wer weiß?«, meinte sie, wütend, weil er sie so unter Druck setzte, sie dazu zwang, sich der größten Angst in ihrem Leben zu stellen. »Vielleicht ist es gestorben. Vielleicht hat es sich einfach aufgelöst.«
»Das glaube ich nicht und du ebenso wenig. Wir müssen der Sache ins Auge sehen, Sylvia. Als es mich verließ, ist es in jemand anderen übergewechselt. In dieser Nacht waren nur drei andere Menschen im Haus. Wir wissen, dass du die Gabe nicht hast und Ba ebenso wenig. Damit bleibt nur eine andere Möglichkeit.«
Sie schloss ihre Hände um seinen Kopf und presste ihn gegen ihren Bauch.
Nein! Bitte sprich das nicht aus!
Die Möglichkeit hatte sie so viele Nächte wachgehalten und sie geisterte durch ihre Träume, wenn sie dann schließlich doch noch Schlaf fand.
»Du hast gesehen, wie Jeffy auf Mr. Veilleur reagiert hat. Er ist mit ihm auf einer Wellenlänge. Ich bin das auch, glaube ich. Ich bin nicht einfach so ins Wohnzimmer gekommen. Etwas zog mich da hin. Und als ich den alten Mann sah, spürte ich dieses wohlige Gefühl. Ich kann mir nur ausmalen, was Jeffy gefühlt haben muss.«
Sie hörte ein Geräusch am Fenster und sah dorthin.
Jeffy war da und drückte sein Gesicht und die Hände gegen das Glas.
»Ich will mit ihm gehen, Mama. Ich will zu ihm!«
Bill ließ den Dieselmotor des Mercedes eine Weile im Leerlauf laufen, bis der Motor warm war. Er war enttäuscht und es fiel ihm schwer, seine Verärgerung zu verbergen. Die ganze Fahrt war umsonst gewesen.
»Nun«, sagte er mit einem Seitenblick auf Glaeken, »das war wohl ein Reinfall.«
Der alte Mann starrte aus dem Seitenfenster auf das Haus. Er wandte sich Bill nicht zu, als er sprach.
»Es ist nicht ganz so gelaufen, wie ich gehofft hatte, aber ich würde nicht sagen, dass es ein Reinfall war.«
»Was hätte denn noch Schlimmeres passieren können? Sie hat uns rausgeworfen.«
»Ich erwarte Widerstand von den Leuten, die ich anwerben muss. Schließlich bitte ich sie, zu glauben, dass die menschliche Zivilisation, so wie sie jetzt ist, am Rande der Vernichtung steht, und mir zu vertrauen, einem vollkommen Fremden. Das ist etwas, worauf man sich nicht einfach so einlässt. Und die Pille, die Mrs. Nash schlucken muss, ist doppelt bitter.«
»Ich gehe davon aus, dass Sie vermuten, das Dat-Tay-Vao befindet sich in Jeffy.«
»Ich weiß, dass es da ist.«
»Nun, dann schätze ich, dass Sie da wirkliche Überzeugungsarbeit zu leisten haben. Denn es ist ja wohl offensichtlich, dass die Frau Ihnen nicht nur nicht glaubt, sondern Ihnen auch auf keinen Fall glauben will.«
»Das wird sie noch. Wenn die Veränderungen weiter voranschreiten, wird sie gar keine andere Wahl haben, als mir zu glauben. Und dann wird sie den Jungen zu mir bringen.«
»Hoffen wir mal, dass sie sich damit nicht zu lange Zeit lässt.«
Glaeken nickte und starrte weiter zum Haus hinüber. »Hoffen wir, dass das Dat-Tay-Vao und die anderen Komponenten ausreichen, um etwas zu bewirken.«
Bill kämpfte gegen die Verzweiflung an, die sich wieder in ihm ausbreitete.
»Anders gesagt, all das – alles, was Sie hier auf die Beine zu stellen versuchen – könnte vergeblich sein?«
»Ja. Das könnte es. Aber schon der Versuch zählt. Und ich habe heute den Jungen kennengelernt. Der Kontakt zu ihm wird mir helfen, etwas anderes zu finden, nach dem ich Ausschau gehalten habe. So war die Reise also nicht umsonst.«
»Er hat sie angehimmelt, wie ich es selten bei einem Kind einem fremden Erwachsenen gegenüber gesehen habe.«
»Ach, das war nicht Jeffy, der da auf mich reagiert hat. Das war das Dat-Tay-Vao in ihm.« Glaeken wandte sich vom Fenster ab und lächelte Bill an. »Wir
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