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Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Titel: Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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die Luft wahrscheinlich an den Rändern eingesaugt wurde, dann die Richtung änderte und durch die Mitte wieder herausströmte. Das musste die Erklärung sein. Die Luft konnte nicht einfach nur nach unten strömen. Sie musste ja irgendwo hin.
    Er richtete sich auf und wandte sich an den Priester.
    »Und? Was hältst du von unserer kleinen Sandgrube?«
    Der Priester riss seinen Blick los und sah ihn an. Er wirkte verängstigt.
    »Wie ist das hierhergekommen, Nick?«
    »Keine Ahnung. Das müssen die Jungs von der Geologie rausfinden. Aber die Leute fangen schon an, Parallelen zu den Kornkreisen in England zu ziehen. Ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse. Ich glaube, The Light hat jeden verfügbaren Reporter hergeschickt.«
    »Irgendeine Idee, wie tief das ist?«
    »Das wissen wir noch nicht. Die Geologen haben heute Morgen als Erstes ein Sonar-Gerät aufgebaut, mit dem sie den Boden abtasten wollten, haben aber keine verwertbaren Daten bekommen.«
    »Es gibt keinen Grund?« Die Stimme des Priesters klang plötzlich belegt.
    Nick lachte. »Natürlich hat das Ding einen Grund. Es ist nur so, dass Echos von den Seitenwänden die Ablesungen stören. Die Geologen wussten nicht mehr weiter, also haben sie uns Physiker geholt. Wir könnten zwar abwarten, bis die Sonne im Zenit steht, und dann eine optische Messung machen, aber warum so lange warten? Wie haben einen neuen Laser, der einen Strahl auf den Boden schickt und uns eine bis auf den Zentimeter genaue Messung ermöglicht.«
    Pater Bill starrte wieder in das Loch hinunter, während er sprach.
    »Ich weiß aus verlässlicher Quelle, dass dieses Loch keinen Grund hat.«
    »Nun, es ist tief, aber so tief nun auch wieder nicht. Das garantiere ich.« Und dann kam ihm ein Gedanke. »Diese Quelle ist nicht zufällig die Gleiche, die dir erzählt hat, dass da etwas ›am Himmel passiert‹, oder?«
    Als Pater Bill nickte, spürte Nick, wie sich eine kalte Last auf seine Schultern legte. Er deutete auf das Loch.
    »Na komm – bodenlos? Das kannst du doch nicht wirklich glauben.«
    »Ich habe auch nie geglaubt, dass mitten im Frühling die Sonne jeden Tag später aufgehen würde. Du etwa?«
    »Nein, aber …«
    Bodenlos? Sicher nicht. Das war schlicht und ergreifend unmöglich.
    Jemand tippte ihm auf die Schulter. Er drehte sich um und vor ihm stand einer seiner Doktoranden.
    »Wir sind bereit zur Messung.«
    »Hervorragend.« Er wandte sich an Pater Bill. »Der Laser ist installiert. Warte hier. In ein paar Minuten haben wir eine Messung vom Grund – wo der auch sein mag.«
    Bill sah hinter ihm her, als Nick zu einem merkwürdig aussehenden Gerät ging, das an einem Kran über dem Loch hing. Er war stolz auf ihn. Nick hatte es weit gebracht von dem altklugen Neunjährigen, mit dem er Schach gespielt hatte, nachdem Bill die Leitung des St. Francis Waisenhauses übernommen hatte. Er war jetzt gereift und selbstbewusst – zumindest was sein Fachgebiet, die Physik, anging. Er fragte sich, wie Nick wohl in zwischenmenschlicher Hinsicht zurechtkam. Bill wusste, dass Nick ziemlich empfindlich war, was sein Aussehen betraf – der deformierte Schädel, der von einer Misshandlung als Säugling herrührte, und dann die alten Akne-Narben. Aber hässlichere Männer hatten das Mädchen ihrer Träume gefunden und führten ein glückliches Leben. Er hoffte, das würde auch Nick bald widerfahren.
    Er wandte sich wieder dem Loch zu und starrte in die schwarze Tiefe.
    Wie war das mit diesem Nietzsche-Zitat: »Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.«
    Genauso fühlte er sich jetzt – als würde er in sich hineinsehen, in die eigene verborgene Dunkelheit. Der Abgrund breitete sich vor ihm aus, lockte ihn. Welche Geheimnisse, welche Schrecken, lagen in diesen diesigen, chaotischen Tiefen verborgen? Einen Augenblick lang überkam ihn der irre Drang, einen Schritt vorzutreten und sich hineinzustürzen. Wenn das Loch wirklich bodenlos war, wie Glaeken behauptet hatte, dann würde er immer weiter fallen. Und fallen. Was für Ausblicke, was für Panoramen würde er dabei sehen? Was würde er finden? Sich selbst? Eine endlose Reise zur Selbsterkenntnis. Wie wunderbar. Wie konnte sich jemand dem entziehen? Wie zum Teufel konnte jemand mit einem Hauch von Charakter dem widerstehen? Wie …?
    »Sie passen besser auf, Pater!«
    Die Stimme riss ihn aus seiner Versenkung. Entsetzt stellte er fest, dass er auf dem Geländer saß und gerade im Begriff

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