Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

trotzdem nichts. Sie würden es auf die harte Tour lernen müssen.
    CNBC:
    … an den Warenterminbörsen steigen aufgrund der Unsicherheiten über die nächsten Ernteaussichten die Preise dramatisch an, vor allem bei Bohnen und Orangensaft. Kräftige Kursschwankungen rund um den Globus …
    Nick bemerkte, wie jemand an seinem Arm zerrte. Widerstrebend löste er den Blick von dem Loch und stand einem der Parkaufseher gegenüber.
    »Sind Sie Doktor Quinn?«, brüllte der Mann über das Rattern und Dröhnen der Generatoren hinweg.
    »Ja. Was gibt es?«
    »Wir haben da einen Priester hinten in der Menge, der behauptet, Sie hätten ihn herbestellt, damit er einige Gebete spricht.«
    »Priester?«, fragte Nick verblüfft. »Ich habe keinen …« Aber dann begriff er. Er lachte dem Polizisten fast ins Gesicht. »Aber ja, doch. Ich habe auf ihn gewartet. Können Sie ihn herbringen?«
    Der Wachmann drehte sich um und winkte jemandem hinter der Absperrung zu. Nick sah, wie sich eine einzelne Gestalt in schwarzer Kleidung aus der Menge löste und mit schnellem Schritt näher kam.
    Er schüttelte Pater Bill die Hand, als der ihn erreicht hatte. Er hatte den Priester ein paarmal getroffen, seit er aus North Carolina wieder da war, aber es schockierte ihn jedes Mal aufs Neue, wie sehr er in den fünf Jahren auf der Flucht gealtert war. Vor seinem Verschwinden war Nick so weit gewesen, dass er den Priester einfach nur »Bill« genannt hatte, aber seit er wieder da war, war er in die alte Angewohnheit zurückverfallen, das »Pater« vor den Vornamen zu setzen. Er deutete auf die Soutane und den Priesterkragen.
    »Ich dachte, du würdest diese Sachen nicht mehr tragen.«
    »Das dachte ich auch. Aber ich habe eingesehen, dass diese Uniform auch ihre Vorteile hat. Vor allem, wenn man es in einer Menschenmenge auf eine Sonderbehandlung anlegt.«
    »Und was machst du hier?«
    Pater Bill lächelte. »Ich bin gekommen, um einen Exorzismus durchzuführen. Ich will das Loch wieder schließen.«
    »Sehr komisch.«
    Das Lächeln verschwand. »Nein, im Ernst, Nick. Ich würde mir das Loch gern aus der Nähe ansehen.«
    »Sicher. Aber bleib auf der Plattform. Die Erde am Rand ist ziemlich brüchig.«
    Nick spürte die Erregung von Neuem, als er Pater Bill an den Rand der hölzernen Plattform führte. Er konnte es noch immer nicht fassen. So was wie das hier – ein geheimnisvolles, siebzig Meter breites Loch, das sich hier auftat, praktisch in seinem Vorgarten. Es war wunderbar.
    Sie blieben am Geländer stehen und sahen hinunter. Er hörte, wie Pater Bill der Atem stockte.
    »Unglaublich, was? Ich kann mein Glück noch gar nicht fassen. Und das ist es wirklich. Reines Glück. Wenn ich mir gerade einen Kaffee geholt hätte, als die Jungs von der geologischen Fakultät heute Morgen anriefen, hätte wahrscheinlich jemand anderes den Anruf entgegengenommen und würde jetzt hier statt meiner die Kommandos geben. Man muss nur zur rechten Zeit am rechten Ort sein. Mehr ist nicht notwendig.«
    Aber Pater Bill schwieg. Er schien wie gebannt von dem Loch.
    Nick wusste, wie der Priester sich fühlte. Seit er eingetroffen war, hatte er bestimmt hundert Mal in die Öffnung hinuntergesehen und es kam ihm immer noch vollkommen unwirklich vor.
    Es lag an den Wänden. Sie waren zu steil. Es sah nicht aus wie ein Erdrutsch – es wirkte wie ausgestochen. Er sah die aufeinanderfolgenden Schichten von Erde und Gestein wie beim Ausschnitt aus einem Baumkuchen. Als er das erste Mal hinuntergesehen hatte, hatte er so etwas wie einen umgedrehten Kegel mit einem Trümmerhaufen am Grund erwartet. Aber der Grund war gar nicht zu sehen. Der Einbruch war viel tiefer, als er es erwartet hatte. Fast einen Kilometer tief, schätzte er. Vielleicht sogar tiefer. Es ging direkt in die Dunkelheit hinunter. Vielleicht waren sie imstande, mehr zu erkennen, wenn die Sonne höher stand, aber bisher herrschte da unten tiefste Nacht.
    Nick hatte im letzten Sommer den Grand Canyon besucht und erinnerte sich noch an das Schwindelgefühl, das ihn erfasst hatte, als er das erste Mal von der Aussichtsplattform in die Tiefe gesehen hatte. Der schwindelerregende lotrechte Abfall dieser Wände versetzte ihm ein ähnliches Gefühl. Aber beim Grand Canyon hatte er wenigstens noch das Rinnsal Wasser am Grund sehen können. Hier, in der schwachen Brise, die nach unten führte, sah er nur Schwärze.
    Der Luftzug hatte ihn zuerst irritiert. Wo konnte die Luft hinführen? Dann wurde ihm klar, dass