Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld
für viele unserer New Yorker Mitbewohner ging die Sonne gar nicht mehr auf. Wie viele von Ihnen zweifellos bereits wissen, herrschte in Manhattan letzte Nacht vollkommenes Chaos, als das Stadtzentrum zum Schauplatz des grausigsten Horrorszenarios der Welt wurde. Nur waren diese Schreckgespenster real. Menschen sind ganz real gestorben, Hunderte, vielleicht sogar an die tausend. Die Polizei und die Rettungskräfte sind zurzeit noch mit dem Erfassen der Toten beschäftigt. Und das hier sind die Mörder.
< Einblendung: tote Insekten >
Laut den uns vorliegenden Angaben kamen diese Kreaturen aus dem Loch im Central Park, griffen jedes Lebewesen in Reichweite an und hinterließen Straßen gesäumt mit Leichen. Sie machten keinen Unterschied bei der Auswahl ihrer Opfer. Angegriffen wurden Männer, Frauen, Kinder, sogar Hunde und Katzen. Sie richteten ein grauenhaftes Blutbad an. Aber kurz vor Sonnenaufgang traten sie den Rückzug an, formierten sich zu Schwärmen und flogen durch die Straßen hierher zurück.
< Einblendung: Loch in der Sheep Meadow >
Augenzeugen beschreiben, wie sich die kleineren Schwärme über dem geheimnisvollen Loch im Central Park trafen und vereinten, bevor sie sich als wirbelnde Masse wieder in die Tiefen der Erde stürzten, aus der sie kamen.
< zurück zu den toten Insekten >
Aber was sind das für Kreaturen? Es gibt keine lebenden Forschungsexemplare, aber tote gibt es zuhauf. Es scheint, dass diejenigen, die nicht vor Sonnenaufgang das Loch erreicht haben, im Sonnenlicht verendet sind. Im Volksmund hat man bereits begonnen, sie als ›Vampirkäfer‹ zu bezeichnen. Wissenschaftler aus den verschiedensten Fachbereichen – Biologen, Chemiker, sogar Paläontologen (Wissenschaftler, die Fossilien untersuchen) – arbeiten daran, die Kreaturen zu identifizieren und Mittel zu entwickeln, sie zu bekämpfen. Bundes- und Regionalbehörden erarbeiten gemeinsam Strategien, die einen neuerlichen Angriff dieser Wesen verhindern sollen. Es kursieren Gerüchte, man wolle ein gewaltiges Metallgitter über dem Loch anbringen.
< zurück zu Alice >
Aber vielleicht ist das alles sinnlos. Wir haben soeben beängstigende Nachrichten aus Long Island und New Jersey erhalten, denenzufolge sich dort weitere bodenlose Löcher aufgetan haben, die identisch mit dem im Central Park sind. Weitere Löcher werden von einem Friedhof in Bayside, von Glen Cove, Hackensack und anderen Orten gemeldet. Noch gibt es keine offiziellen Bestätigungen für diese Vorkommnisse, aber eines unserer Aufnahmeteams ist im Augenblick auf dem Weg zum St.-Ann’s-Friedhof in Bayside. Wir werden live aus Queens berichten, sobald unsere Reporter dort eingetroffen und bereit sind.
Zusammenkünfte
Manhattan
Glaeken reichte Jack die Zeichnungen der Halsketten und beobachtete den jüngeren Mann dabei, wie er sie studierte. Es handelte sich um Kopien. Die Originale auf Pergament waren sicher in einem Tresorgewölbe verstaut.
»Gut«, sagte Jack und nickte beifällig. »Sehr detailgetreu. Genau, was ich brauche. Woher haben Sie die?«
»Ich habe sie all die Jahre an sicheren Orten aufbewahrt, falls sich doch einmal die unwahrscheinliche Situation ergeben sollte, dass ich sie noch einmal benötige. Der Tag ist jetzt gekommen.«
»Ja«, sagte Jack düster. Er rieb sich den Verband an seinem Unterarm. »Ich schätze, das ist er wohl.«
Er stand auf und begann durch das Wohnzimmer zu tigern, wobei er im Gehen die fotokopierten Blätter zu akkuraten Rechtecken zusammenfaltete. Glaeken spürte die Anspannung, unter der der Mann stand; die Frustration, die direkt unter der Oberfläche brodelte. Jack war es gewöhnt, Probleme zu lösen, für gewöhnlich die Probleme anderer Menschen. Jetzt war er mit einem Problem konfrontiert, für das er keine Lösung hatte.
»Es ist da draußen wie im Schlachthaus. Ich habe gestern Abend gesehen, wie diese Viecher aus dem Loch kamen. Und jetzt gibt es Gerüchte, dass sich auch anderswo neue Löcher auftun.«
»Das sind keine Gerüchte. Ich glaube, ich sagte Ihnen …«
»Ich weiß.« Jack wurde langsamer und blieb stehen, als er an dem Fenster vorbeikam. »Ich weiß, dass Sie mir das gesagt haben.« Er deutete nach unten auf den Park. »Tausende von diesen Löchern? Tausende? «
»Ich fürchte ja.«
»Was ist, wenn sich eines davon direkt unter Ihrem Haus auftut und es verschlingt?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas passieren würde. Das wäre zu schnell – zu kurz und schmerzlos. Rasalom
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