Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld
Rasalom!
»Das scheint mir nicht sicher. Die Adresse ist in der Nähe vom Central Park.«
»Mr. Veilleur hat gesagt, wir hätten bei Tageslicht nichts zu befürchten.«
Hank fuhr sich fahrig mit der Hand durch sein schütter werdendes braunes Haar, das er vom höher werdenden Haaransatz glatt nach hinten kämmte. Verbunden mit seiner vorspringenden Nase gab ihm das ein falkenartiges Aussehen. Carol hatte versucht, ihn zu einer anderen Frisur zu bewegen. Er hielt sich immer kurze Zeit daran, kehrte dann aber zu seinen alten Gewohnheiten zurück. Bevor sie sich kennenlernten, war er eingefleischter Junggeselle gewesen. Sie hatte nicht wirklich die Hoffnung, ihm noch einen Sinn für Ästhetik zu vermitteln, aber das war kein Grund, es nicht weiter zu versuchen. Sie liebte Herausforderungen.
»Nichts zu befürchten bei Tageslicht? Und wieso ist sich dieser Mr. Veilleur da so sicher, wo ein angesehener Wissenschaftler nach dem anderen zugeben muss, dass er dieses Loch und diese Kreaturen einfach nicht erklären kann?«
»Er weiß es. Glaub mir, er weiß es.«
»Mir gefällt das nicht, Carol«, sagte er und tigerte mit tief in den Hosentaschen vergrabenen Fäusten durch das winzige Schlafzimmer. »Solange sich all diese schrecklichen Dinge da draußen auf den Straßen ereignen, scheint es mir das Vernünftigste, im Haus zu bleiben, bis alles wieder unter Kontrolle ist.«
Carol schüttelte den Kopf und lächelte in sich hinein, während sie einen Rock aus dem Schrank zog. Das war Hank, der immer das Für und Wider gegeneinander abwog, die Risiken kalkulierte, die Gefahren abschätzte, um den Weg mit dem besten Kosten-Nutzen-Faktor zu finden. Immer sicher und vernünftig, immer alles vorausplanen. Und daran gab es auch nichts auszusetzen.
Nein – ganz bestimmt nicht. Carol brauchte diese Sicherheit und diese Vernunft in ihrem Leben. Sie brauchte jemanden in ihrer Nähe, der Pläne für die Zukunft machte. Es half ihr zu glauben, dass es eine Zukunft gab und dass so etwas von Bedeutung war.
Hank war so ganz anders als ihr erster Mann. Jim war Schriftsteller gewesen, der in den Tag hinein gelebt hatte, der die Dinge aus dem Bauch heraus getan hatte, was ihm danach oft einen Kater eingebracht hatte. Spontanität und Ausgelassenheit waren Begriffe, die es in Hanks Wortschatz nicht gab.
Und doch hatte gesetzt und stabil auch seine Vorteile. In ihrer Ehe mit Hank gab es vielleicht nicht die Hitze und die Leidenschaft ihrer Beziehung zu Jim, aber Wärme und Vertrauen und Kameradschaft, und genau das brauchte sie jetzt.
»Ich kann das nicht absagen. Und es muss heute Morgen sein. Da sind Leute, die ich kennenlernen soll, und ich will, dass du die auch kennenlernst.«
Er sah sie an. »Du bist fest entschlossen zu gehen, oder?«
»Hank, ich muss.«
»Nun, ich lasse dich heute sicher nicht allein durch die Stadt fahren. Also sieht es wohl so aus, als machten wir einen Ausflug zu Mr. …«
»Veilleur. Aber er nennt sich Glaeken. Und Bill Ryan wird auch da sein. Es ist also nicht so, als würdest du da niemanden kennen.«
»Er hat auch damit zu tun? Wie lange triffst du dich schon mit diesem Veilleur oder Glaeken? Und warum ist das alles so geheimnisvoll? Warum kannst du mir nicht mehr darüber sagen?«
»Ich werde dir alles darüber erzählen. Ich … ich habe dir nicht alles über meine Vergangenheit erzählt und ich glaube, es wird höchste Zeit, dass du das erfährst.«
Hank trat vor sie hin und nahm sie sanft in die Arme.
»Du musst dir meinetwegen keine Gedanken machen. Nichts, was du mir zu sagen hast, wird etwas daran ändern, wie ich für dich empfinde.«
»Das hoffe ich. Ich hoffe, du kannst mit dem umgehen, was ich dir zu sagen habe.«
»Aber warum kannst du es mir nicht vor diesem Treffen erzählen?«
»Weil ich will, dass du das ganze Szenario kennst, bevor ich dir meinen Part darin schildere. Glaeken weiß darüber mehr und kann es besser erklären, als ich das kann. Er war dabei, als alles anfing. Er weiß, wer für die Kreaturen verantwortlich ist, die letzte Nacht aus diesem Loch gekommen sind.«
Hank wich einen halben Schritt vor ihr zurück.
»Das weiß er? Wer?«
Carol biss sich auf die Lippen und überlegte, wie viel sie sagen sollte. Nun, warum sollte sie nicht sofort mit der Tür ins Haus fallen? Ihm einen ersten Einblick in ihre verborgene Kammer geben. Danach würde nichts mehr lange verborgen sein.
»Mein Sohn.«
Jack war sich nicht sicher, wie lange er schon am Fenster gestanden
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