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Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Titel: Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy Abrahamson
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Ärger!«
    »Kennt ihr den: Wie hält man eine russische Armee auf, die zu Pferde angreift?«
    »Aber nur einen kleinen Tropfen – es reicht, es reicht!«
    »Man zieht dem Karussell den Stecker raus!«
    »Hier, nimm ein Ei! Iss, kochana , iss!«
    »Jerzy, schenk Zbychus nach!«
    »Hat Celestyna euch schon aus dem Haus gefressen?«
    »Na zdrowie!« (Gläserklirren)
    »Beata sagt, du hast immer noch keinen Freund?«
    »Was ist das für ein Land, wo eine wie Alicja noch keinen Freund hat? Was? Die Schweden sollten sich schämen.«
    »Kennt ihr den von dem Russen, der in einem schwedischen Telefonbuch blättert?«
    »Hier, nimm Butter! Es ist echte Butter vom Markt.«
    »Der Russe liest Svensson … Svensson … Svensson …  – wie viele Telefone hat dieser Svensson eigentlich?«
    »Marek, hast du nicht irgendwelche Freunde, die Alicja treffen könnte? Aber nicht der kleine Dicke mit den Schweißhänden!«
    »Noch Kirschkompott?«
    »Kennt ihr den von der Blondine, die zum Arzt geht, weil ihre rechte Brust plötzlich doppelt so groß ist wie die linke?«
    »Nimm ein bisschen mehr Brot, kochana ! Es ist die leckere Sorte.«
    »Jerzy, schenk Zbychus nach!«
    Am nächsten Tag fahren wir von Gdynia nach Norden, nach Rumia, wo wir den Rest von Sylwias und Celestynas Sachen holen wollen. Während der ganzen Autofahrt ist mir, als hätten wir etwas vergessen, aber ich komme nicht darauf, was.
    In einer Gegend mit klotzigen Hochhäusern parken wirden Volvo vor dem Haus mit der Nummer 16. Das Hochhaus wirft einen Schatten, der sich, statt zu kühlen, nur schwer auf meine Gänsehaut legt. Eine Bande kleiner Jungs in Badehosen und staubigen Sandalen kommt gerannt, um den Volvo mit den ausländischen Nummernschildern genauer in Augenschein zu nehmen.
    »Woher kommt ihr?«, fragt einer der weniger schüchternen.
    »Aus Schweden«, antwortet Mutter.
    Die Jungen holen andächtig Luft und starren weiter das Auto an. Der kleinste Junge berührt es vorsichtig, zieht die Hand aber ganz schnell wieder zurück und lächelt mich verlegen an.
    Wir nehmen einen nach Schmutz und Urin stinkenden Aufzug in den neunten Stock, gehen durch einen langen dunklen Gang und öffnen die Tür zu Sylwias Wohnung. Mir ist immer mehr, als hätten wir etwas vergessen, aber ich komme immer noch nicht darauf, was.
    Der Geruch verschiedener Körperflüssigkeiten, von Sauerkraut und Staub schlägt uns entgegen, als wir die Wohnung betreten. Ich höre, wie der Nachbar sich räuspert, bevor er die Toilettenspülung betätigt, in einer anderen Wohnung kläfft ein Hund. An den Wänden kleben braune Tapeten mit beigen Ornamenten, und im Badezimmer stehen zwei mit Wasser gefüllte Eimer. Von der Toilette kommt ein anhaltendes Rauschen. Alle Möbel sehen aus, als stammten sie aus der Zeit vor dem Naziüberfall und dem Zweiten Weltkrieg. Das harte Sofa im Wohnzimmer ist mit einem hellgrünen synthetischen Material bezogen, achtlos hingeworfen liegen eine fleckige Wolldecke und ein Kissen darauf. In der Küche reihtsich Flasche an Flasche: auf dem Fensterbrett, unter der Spüle und unter dem Tisch, alle leer.
    »Beeil dich!«, flüstert Mutter.
    »Warum?«, frage ich, aber das Alarmlicht in meinem Kopf hat schon zu blinken begonnen. »Und warum flüsterst du?«
    »Damit wir fertig sind, bevor Sylwias Mann nach Hause kommt«, sagt Mutter und macht eine Schranktür nach der anderen auf.
    Da erst dämmert es mir  – das war es, was ich vergessen hatte! Sylwias Mann! Ihr gewalttätiger Suffkopf von Mann. Das Kissen und die Decke auf dem Sofa! Die Flaschen in der Küche! Die Schlagzeilen der Abendzeitungen zu Hause in Schweden treten mir schmerzlich klar vor Augen: MUTTER UND TOCHTER AUF POLENREISE BESTIALISCH ERMORDET!
    »Und wenn er noch hier ist?«
    »Er müsste bei der Arbeit sein, aber Sylwia sagt, manchmal schicken sie ihn heim, wenn er zum Busfahren zu besoffen ist.«
    Richtigstellung:
    MUTTER UND TOCHTER AUF POLENREISE VON BETRUNKENEM BUSFAHRER BESTIALISCH ERMORDET!
    »Aber … aber … was … wenn er …«
    »Da sind sie! Jetzt beeil dich!«
    Mutter hat den Schrank mit den Sachen, die wir nach Schweden mitnehmen sollen, gefunden, und wir beginnen, sie zur Tür zu schaffen. Es ist alles in Taschen und Tüten verpackt.
    Mir schlägt das Herz bis zum Hals. Ich habe entsetzlicheAngst, dass jeden Moment ein durchgeknallter besoffener Busfahrer in die Wohnung stürmt. Seit Sylwias und Celestynas Flucht nach Schweden hat Sylwias Mann Tante Halina jeden Tag angerufen

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