Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
und den Shorts, und ich setze den größten Strohhut auf, den ich an der Flurgarderobe finden kann.
Auf der Straße, die sowohl nach Backåkra als auch nach Sandhammaren führt, mache ich mich so klein wie möglich. Ich versuche zu schrumpfen, bis ich praktisch mit dem Fahrrad verschmelze. Alles nur, damit keiner mich bemerkt. Besser gesagt, damit keiner merkt, dass ich mit Ola Olsson zum Strand radle.
Und die ganze Zeit richte ich ein stilles Gebet an die Götter. Es ist das Gebet eines halbpolnischen Mädchens, das diesen Sommer schon genug mitgemacht hat, es möge niemand aus seiner Schule ausgerechnet heute Lust zum Schwimmenhaben und insbesondere keine Lust, es ausgerechnet in Backåkra zu tun. Da die Straße keinen eigenen Fahrradweg besitzt, jagen die Autos schrecklich nah an uns vorbei.
»Alicja, pass auf!«, ruft Ola hinter mir, als mich ein rotes Auto fast überfährt.
»Okay«, sage ich und zwinge mich, die Krempe des Strohhuts vorne hochzuklappen und den Kopf so weit über dem Lenker zu halten, dass ich die Straße wenigstens halbwegs sehen kann.
Ich trete wie wild in die Pedale und entspanne mich erst, als wir endlich in den Waldweg einbiegen, der zum Strand von Backåkra führt. In dem Wald aus Birken und Kiefern ist es trotz der Augusthitze angenehm kühl.
Am Strand stellen wir unsere Räder im hohen Gras am Wegrand ab. Der Parkplatz ist schon voller Autos, eine Großfamilie lädt gerade Liegestühle, Sonnenschirme, Badebälle, Windsegel, Kühltaschen und eine Tonne buntes Sandspielzeug aus ihrem großen Auto. Eines der Kinder der Familie ist ein kleines dunkelhaariges Mädchen, das aus China oder Vietnam stammen und adoptiert sein muss. Es lässt mich an Marie denken, was mich an Natalie denken lässt.
»Sollen wir nicht lieber in den Wald gehen?«, schlage ich vor. »Einen Spaziergang machen?«
»Wie bitte? Wir sind doch keine Rentner«, sagt Ola und zieht die Turnschuhe aus, bevor er in Richtung Strand losrennt.
Mit schweren, eines Rentners würdigen Schritten und gesenktem Kopf folge ich ihm. Ich setze auch noch die Sonnenbrille auf und hoffe, dass sie in Kombination mit dem großen Strohhut mein Gesicht hinreichend verbirgt.
»Wo sollen wir uns hinlegen?«, fragt Ola, der schon mit den Füßen im Wasser war.
So nah beim Parkplatz liegen die Familien mit kleinen Kindern, darum schlage ich einen etwas ruhigeren Platz am Ende des Strands vor. Wir müssen ein paar Zweige wegräumen, bevor wir unsere Handtücher ausbreiten können. Der Sand ist so warm, dass er mir, als ich die Sandalen ausziehe, unter den Füßen brennt.
»Komm, wir gehen schwimmen!«
»Nein, vielleicht später«, sage ich.
Ola sieht erst ein bisschen enttäuscht aus, aber dann sprintet er in Richtung Wasser und wirft sich mit einem lauten Freudenschrei hinein. Ich lege mich auf den Bauch und vergrabe den ganzen Kopf unter dem Strohhut. Als Ola vom Schwimmen zurückkommt, küsst er mich auf die Schulter, was dazu führt, dass kalte Wassertropfen auf meine Haut fallen. Mit einem zufriedenen Seufzer legt er sich neben mich.
»Und? Kommst du irgendwann da unten raus?«
Ich brummle die Antwort ins Handtuch.
»Was hast du gesagt?«
»Ich kann nicht«, wiederhole ich. »Natalie.«
»Was?«
»Nicht was, sondern wer«, sage ich. »Natalie. Meine Freundin Natalie.«
»Was ist mit ihr?«
Ich setze mich hin, um zu sehen, ob Ola Olsson zu scherzen beliebt oder nicht.
»Weißt du’s denn nicht? Hast du wirklich nicht gemerkt, wie verknallt sie in dich ist?«
Er schüttelt den Kopf.
»Ganz ehrlich? Du hast nie begriffen, wie sehr sie dich mag?«, wiederhole ich. »So oft, wie sie mit dir geredet hat? Seht ihr Jungs so was nicht?«
»Ich dachte immer nur, dass sie nett ist«, sagt Ola. »Nicht mein Typ, aber nett. Du bist mein Typ.«
Er rollt sich plötzlich näher an mich heran und legt seine Arme um mich. Sie sind immer noch nass und eiskalt, und trotzdem wird mir ganz warm von seiner Berührung. Schwer, jetzt noch an etwas anderes zu denken.
»Aber verstehst du nicht, wie traurig sie wäre, wenn sie uns zusammen sehen würde«, sage ich nach einer Weile.
Ola antwortet nicht und schnippt nur einen Käfer weg, der auf seinem Handtuch gelandet ist.
»Sie mag dich seit einer Ewigkeit, und jetzt das.«
»Alicja, ich will deiner Freundin nicht wehtun oder so, aber so ist das Leben manchmal. Ich will nur mit dir zusammen sein, und von mir aus kann es die ganze Schule wissen.«
Trotzdem liege ich für den Rest des
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