Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
das Ganze wie einen Campingurlaub nehmen.
Kurz gesagt, die Liebe hat mich lobotomiert.
»Du siehst ein bisschen fiebrig aus«, sagt Mutter misstrauisch.
»Nein, gar nicht«, sage ich und verschwinde nach oben in mein Zimmer.
Aber im Spiegel, in den ich in letzter Zeit so oft schaue, sehe ich selbst, wie meine Augen glänzen und wie rosig meine Wangen sind. Aber es stört mich genauso wenig wie mein idiotisches Dauergrinsen oder meine Stimme, die plötzlich dauernd ins Falsett rutscht. Ola Olsson und ich sind ineinander verliebt. Ola Olsson und ich sind zusammen . Ola Olsson und ich sind genau seit fünf Tagen, vier Stunden und zweiunddreißig Minuten zusammen. Die Welt bewegt sich in Zeitlupe, wenn wir uns nicht sehen, und ich tue alles, damit diese Stunden schneller vergehen. Ich habe seit Ales Stenar weder essen noch schlafen können und weiß jetzt, dass der menschliche Körper mit nichts als Liebe auskommen kann, eine Diät, die komischerweise in keiner Frauenzeitschrift steht.
Ola Olsson Ist Mein Freund! Nicht mal sein ein bisschen uncooler Name stört mich mehr. Er macht ihn nur noch einmaliger. Wie heißt es: Liebe Kinder haben alliterierende Namen.
Wir versuchen uns fast jeden Tag zu sehen, aber nur bei ihm, weil seine Eltern den ganzen Tag arbeiten und keine polnischen Handwerker das Haus besetzt haben. Unsere Stunden zusammen sind Knutsch- und Fummelmarathons. Wenn ich nur daran denke, werde ich schon rot. Und immer wieder muss er mir erzählen, wie lange er schon heimlich in mich verliebt gewesen ist (seit dem ersten Mal, als er mich auf der Treppe vorm Schulhaus gesehen hat), wie stark seine Gefühle für mich sind (noch nie hat er solche Gefühle für jemanden gehabt) und wie oft er an mich denkt (die ganze Zeit).
Ola Olsson Ist Mein Freund! Schon der Gedanke an Ola macht mich ganz wirr im Kopf. Ich frage mich ernsthaft, ob nicht Teile meines Hirns verdunstet sind.
Damit Mutter es nicht sieht, warte ich, bis sie zur Arbeit gegangen ist, bevor ich mir ihre Lockenwickler und den Fön hole. Ich habe beschlossen, mich besonders fein zu machen und meinen langweiligen Schnittlauchhaaren zu ein bisschen Fülle zu verhelfen.
Eine konzentrierte halbe Stunde lang wickle ich meine Haare auf die großen Lockenwickler. Ihre Kunststoffstacheln bohren sich in die Kopfhaut, und sie werden mit riesigen grauen Klammern befestigt. Damit die Haare schneller trocknen, knipse ich den polnischen Fünfkilofön an. Er bläst glutheiße Luft, die meine Kopfhaut versengt, und nach einer Minute tut mir der Arm weh von dem enormen Gewicht.
In derselben Sekunde, in der ich einen brenzligen Geruch wahrnehme, geht der Fön aus. Ich klopfe damit ein paarmal gegen den Waschtisch, bevor ich begreife, wo vermutlich das Problem liegt. Dann gehe ich nachschauen, was Pan Bogusław diesmal verzapft hat.
Ich finde ihn auf einem Stuhl sitzend in dem Raum, der einmal unsere Küche war und jetzt ein staubiges Chaos aus blank liegenden Stromleitungsenden, dunklen Placken, wo früher Kacheln waren, und Plastikfolie auf dem Boden ist.
»Ist alles in Ordnung?«, frage ich. Für einen kurzen Moment, in dem ausnahmsweise Blut statt Liebe durch meine Adern fließt, mache ich mir ernsthaft Sorgen um Pan Bogusław, dessen Gesicht blass und von kaltem Schweiß bedeckt ist.
»Alles in Ordnung«, antwortet er schwach.
Mir entgeht nicht, dass seine Haare, die unter der staubigen Kappe herausschauen, mehr abstehen als sonst.
»Was ist passiert?«, frage ich. »Wir haben wieder keinen Strom.«
Pan Bogusław wedelt mit der Hand in Richtung Wand.
»Ich habe gebohrt … ich muss … Stromleitung … kaputt …«
Er macht nicht den Eindruck, als wäre er imstande, einen zusammenhängenden Satz zu sagen.
»Ist wirklich alles in Ordnung?«
Wieder wedelt Pan Bogusław mit der Hand.
»Ich … nichts …«
Auch das ist nicht wirklich ein Satz, also gehe ich Pan Maciej holen, der im Badezimmer spachtelt. Er kommt und stellt fest, dass eine Stromleitung in der Wand angebohrt ist und ersetzt werden muss.
Meine unerschütterlich gute Laune wird etwas gedämpft, als ich die Elektrizitätswerke anrufe und bitte, dass jemand kommen soll. Aber dann denke ich wieder an Ola und die leidenschaftlichen Küsse von gestern, und nichts macht mir mehr Kummer.
Diesmal dauert es nicht lange, bis der orange-weiße Kastenwagen der Elektrizitätswerke auf den Hof fährt.
Pan Maciej und ich haben es gerade noch geschafft, Pan Bogusław zum Aufstehen zu bewegen, aber
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