Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
Sollten sie sich nicht erst mal kennenlernen oder so?«
»Sylwia sagt, sie wollen es hinter sich haben, bis Evert die Zwiebelernte einbringen muss und Celestyna mit der Schuleanfängt. Außerdem braucht Sylwia so schnell wie möglich eine Aufenthaltserlaubnis.«
Ich setze mich. Mutter klopft ein Stück Fleisch unter einer Klarsichtfolie platt. Der Hammer, den sie dazu benutzt, hinterlässt ein quadratisches Muster auf dem Fleisch. Wir benutzen immer noch das Wohnzimmer als Küche, obwohl Pan Bogusław hoch und heilig versprochen hatte, bis gestern fertig zu sein.
»Ich habe ihr gesagt, dass wir bei der Hochzeit natürlich so gut wir können helfen«, fährt Mutter Fleisch klopfend fort. »Ich bin für das Essen zuständig.«
»Du … das Essen?«
»Alicja«, sagt Mutter mit einem warnenden Unterton. »Nur schade, dass Vater das Fest um ein paar Tage verpassen wird. Ich frage mich, was Sylwia als Brautkleid anziehen soll. Oh, und den Rundruf muss ich auch noch machen. Man muss es doch allen erzählen …«
Ich stapfe in mein Zimmer und schließe die Tür hinter einer Welt, die mit einem Schlag vollkommen verkehrt geworden ist. Nicht mal der Gedanke an Ola, als er sagte, dass er nur aufblüht, wenn ich da bin, tröstet mich. Ich habe gegen alle Regeln im großen Buch der Freundschaft verstoßen, habe eine meiner beiden besten Freundinnen zum Weinen gebracht, und irgendwo auf einem Bauernhof bei Simrishamn lockt eine verrückte Polin einen armen unschuldigen schwedischen Bauern in ihr Spinnennetz. Meine Gedanken sind ein einziges Durcheinander von baumelnden Sündern, Fleischklopsen, Freundinnen von Freunden und Hochzeiten.
20
Ich verbringe eine schlaflose Nacht mit dem Versuch, mir Lösungen für alles zu überlegen, was in meinem Leben falsch läuft. Soll ich wegen Natalie mit Ola Olsson Schluss machen? Soll ich wegen Ola Olsson meine und Natalies Freundschaft aufs Spiel setzen? Soll ich akzeptieren, dass Sylwia Evert heiratet? Werden die polnischen Handwerker je fertig werden? Nehmen sie bei der Fremdenlegion sechzehnjährige Mädchen, und wenn ja, soll ich hin und eine neue Identität annehmen? Um halb vier in der Nacht fällt mir endlich die Antwort auf all meine Fragen ein, und ich schreibe sie schnell auf einen Zettel.
Am nächsten Morgen wache ich schon um Viertel nach sieben davon auf, dass Pan Bogusław in der Küche auf etwas Metallisches einhämmert. Der Himmel draußen ist grau und schwer. Ich strecke die Hand nach dem Zettel aus, auf dem ich die Antwort auf meine Fragen notiert habe. Auf dem Zettel steht:
A U F H Ö R E N
Aufhören? Womit aufhören? Was habe ich damit gemeint?
Eine Nanosekunde lang glaube ich mich an den Gedanken hinter der Notiz zu erinnern, aber dann ist alles wieder weg.Enttäuscht knülle ich den Zettel zusammen. Es ist traurig, dass mein nächtliches Hirn mir nichts Besseres anzubieten hatte. Ich hatte auf einen Rat gehofft, eine Handlungsanweisung: Wirf frisch gemahlenen Pfeffer nach einer Krähe und tanze einen Jitterbug, dann wird sich alles wieder einrenken – so was in der Art. Dann höre ich, wie unten das Telefon klingelt und Mutter drangeht. Kurz darauf kommt sie in mein Zimmer gestürmt.
»Zieh dich an, wir müssen sofort los!«, sagt sie.
»Wieso denn?«, frage ich.
Aber Mutter ist schon wieder aus der Tür. Ich ziehe mich hastig an und renne nach unten. Die rote Warnlampe in meinem Kopf ist längst an. Draußen höre ich den Olvo hupen. Mutter ist schon rückwärts vom Hof gefahren.
»Komm endlich!«, schreit sie durchs heruntergelassene Autofenster. »Wir müssen uns beeilen!«
Für den August ist der Himmel tatsächlich ungewohnt wolkenverhangen und grau. Während ich zum Auto hetze, spüre ich erste Regentropfen auf meiner Haut.
»Wo wollen wir denn hin?«, frage ich, nachdem ich mich im fahrenden Auto angeschnallt habe.
Mutter hat in weniger als einer Minute zweimal gegen geltende Verkehrsregeln verstoßen, das bedeutet nichts Gutes. Ich hatte noch nicht mal Zeit, mir die Schuhe zuzubinden.
»Wir müssen nach Trelleborg«, antwortet Mutter.
Die rote Warnlampe blinkt auf vollen Touren.
»Nach Trelleborg?«
»Wir treffen den Cousin eines Mannes, den ich gestern auf der Polizeiwache gedolmetscht habe. Er hat gerade angerufen.«
»Und warum?«
Mutter biegt in die übergeordnete Straße, ohne am Stoppschild anzuhalten. Verstöße gegen geltende Verkehrsregeln bis hierher: 3.
»Er kann nur noch eine halbe Stunde in Trelleborg bleiben. Wenn der
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