Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
Strandausflugs mit dem Strohhut auf dem Kopf auf dem Bauch, bis ich auf dem Rücken und der Rückseite der Beine einen solchen Sonnenbrand habe, dass wir nach Hause müssen.
Als Natalie am nächsten Tag anruft und fragt, ob ich zu ihr kommen will, fällt mir keine Ausrede ein, und wir verabreden, dass wir uns später am Tag bei ihr treffen.
Eine halbe Stunde bevor es Zeit ist, nach Ystad zu fahren, schlendere ich in Mutters und Vaters Schlafzimmer, wo Mutter gerade Vaters Hemden bügelt. Ich lasse mich aufs Bett fallen.
»Wärst du mit Vater zusammengekommen, wenn Halina ihn gemocht hätte?«, frage ich.
»Vater hätte Halina nie gemocht«, sagt Mutter. »Sie hat sich immer wie eine Vogelscheuche gekleidet.«
Mutter besprüht das Hemd auf dem Bügelbrett mit Wasser.
»Aber wenn sie ihn gemocht hätte, wärst du dann trotzdem mit ihm zusammengekommen?«
»Hättest du lieber Halina als Mutter? Du siehst doch, wie sie Jerzy auf die Nerven geht. Kein Wunder, dass der Mann so ein Fleischklops geworden ist. Davon, was sie mit deinem Cousin Marek angestellt hat, ganz zu schweigen.«
»Was hat sie denn mit Marek gemacht?«
»Ihn nach Strich und Faden verwöhnt, damit er genauso ein Fleischklops wird wie sein Vater.«
Mir wird klar, dass ich hier nur Antworten auf meine Frage finden würde, wenn ich es mit Leuten zu tun hätte, aus denen früher oder später Fleischklopse werden. Ich gebe auf. Während Mutter das Hemd bügelt, ziehe ich an einem losen Faden des Bettüberwurfs.
»Wenn du jemanden magst, magst du ihn, und Punkt«, sagt Mutter plötzlich.
»Aber wenn eine andere diesen Jemand auch mag, was dann?«
Mutter führt das Bügeleisen vorsichtig über den Kragen.
»Magst du ihn?«
»Ja.«
»Mag er dich?«
»Ja.«
»Mag er deine Freundin?«
»Nein, nicht so.«
»Da hast du deine Antwort. Das Leben ist kurz. Hab Spaß!«
Der Faden löst sich vom Überwurf.
»Aber verrate ich dann nicht die Freundin?«
»Ach, sie wird es schon verstehen.«
Stille. Alles, was man noch hört, sind die zischenden Luftströme, die beim Bügeln entstehen.
»Wie benimmt sich so ein Fleischklops eigentlich?«
»Wie Jerzy.«
19
Bei Natalie zu Hause ist es wie gewöhnlich blitzsauber. Sie lebt eindeutig in einer anderen Welt. Einer Welt mit perfekten Weihnachts- und zauberhaften Mittsommerfesten und Geburtstagsständchen am Bett. Bei uns zu Hause ist der Tag im August, an dem man vergorenen Hering isst, die einzige schwedische Tradition, die Mutter hundertprozentig übernommen hat. Sie bleibt dabei nur meistens allein, weil selbst mein Vater den Verzehr des ekligen Stinkefischs verweigert.
Marie ist schon da und geht gerade Natalies Musikkassetten durch. Sie sieht ungewöhnlich fröhlich aus, als sie von den schrecklich verwöhnten Stockholmer Sommergästen erzählt, die am Kiosk von Sandhammaren bei ihr einkaufen. Und dann kommt’s und schlägt ein wie eine Bombe: Sie ist mit einem Jungen aus Kristianstad zusammen. Es folgen mehrere Stunden, in denen sie uns alles haarklein auseinandersetzt, von ihrer ersten Begegnung, als er ein Softeis mit Tuttifrutti-Streuseln gekauft hat, bis zum langen Telefongespräch vom vorherigen Abend. Ich habe Marie noch nie so vor Glück strahlen sehen, und dass sie so viel zu erzählen hat, ist mir nur recht.
»Aber habt ihr schon gehört …«, sagt Natalie, als Marie irgendwann doch nichts mehr zu erzählen hat.
»Was denn?«
»Ola Olsson ist mit jemand zusammen!« Natalies Gesicht verdüstert sich.
»Nein, du Ärmste!«, sagt Marie, die ihre gewohnte Rolle der Stillen plötzlich so gar nicht mehr spielt. »Und wer ist es?«
»Ich weiß es nicht. Aber wer immer sie ist, sie ist eine verdammte Hure.«
Marie und ich werfen uns einen schnellen Blick zu, weil wir Natalie noch nie haben fluchen hören. Es hört sich mindestens so falsch an, als ließe der Weihnachtsmann einen krachenden Furz, bevor er sich die nächste Linie Kokain einpfeift.
»Und woher weißt du, dass sie zusammen sind?«, fragt Marie.
»Annelie hat sie zusammen am Strand gesehen«, sagt Natalie. »Sie soll irgendeinen idiotisch großen Hut aufgehabt haben.«
»Ist sie denn sicher, dass es Ola war?«, frage ich und könnte nicht sagen, was mich mehr ärgert: dass Annelie uns gesehen hat oder dass sie meinen Strohhut idiotisch findet.
»Ganz sicher.«
»Aber wenn Ola sie mag, kann sie doch eigentlich gar nicht so schlimm sein«, versuche ich es.
»Aber er gehört mir !«
»Wenn es das Schicksal gewollt hätte,
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