Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
er brauchte uns als Stütze, um sich zur Garage zu schleppen. Als ich hinter den beiden die Tür zumachte, meinte ich ihn auf Schwedisch »Das kann teuer werden« murmeln zu hören.
»Du schon wieder?«, sagt der Kleinere.
Es sind dieselben blauäugigen Jungs, die schon mal hier waren. Ich tue so, als hätte ich die Frage nicht gehört, und führe sie in die Küche. Ich zeige auf die Stelle, wo Pan Bogusław die Stromleitung getroffen hat.
»Und was ist diesmal passiert?«, fragt der Größere mit einem Seufzer.
»Das sieht man doch wohl«, sage ich ein bisschen irritiert von seinem Ton. »Ich wollte in die Wand bohren, und da … da muss ich auf die Leitung gestoßen sein.«
Ich verschränke die Arme vor der Brust und stelle mich so breitbeinig hin wie Männer, wenn sie miteinander über technische Dinge reden.
»In Lockenwicklern?«
»Verzeihung?«
»Du bohrst mit Lockenwicklern in den Haaren?«, fragt der Größere.
»Ja«, antworte ich und schaue ihm furchtlos in die Augen.
Schweigen. Dann der Kleinere:
»Und warum hast du in die Wand gebohrt?«
»Warum bohrt man in die Wand?«, antworte ich. »Um ein Loch zu machen.«
Ich sehe, wie der Kleinere sich das Chaos im Zimmer ansieht.
»Und du hast nicht in den Installationsplan geschaut oder mit einem Detektor kontrolliert, dass da keine Leitung ist, wo du bohrst?«, fragt der Größere.
»Klar hab ich das.« Meine Stimme wird ein bisschen zu laut. »Der Plan muss nur falsch gewesen sein.«
»Du …«, beginnt der Kleinere, und ich sehe, wie er seinem Kollegen einen schnellen Blick zuwirft. »Wir würdenschon auch gern mit deinem Vater oder deiner Mutter reden.«
»Die sind nicht hier. Die sind in der Arbeit und kommen erst ganz spät zurück.«
Wieder Schweigen.
»Also, verstehe ich das richtig …«, sagt der Größere, »… deine Eltern lassen dich Sträucher umpflanzen, die Küche und das Bad renovieren und dabei in die Wände bohren – alles ganz allein, während sie in der Arbeit sind?«
Im selben Augenblick klingelt das Telefon. Ich war noch nie so froh, dass ein Gespräch unterbrochen wird.
Erst kann ich das Telefon nicht finden, weil Pan Bogusław es unter mehreren Zeitungen versteckt hat, und noch während ich den Hörer abnehme, fluche ich im Stillen über Mutter, ihre verdammten polnischen Handwerker und überhaupt den ganzen Schlamassel, der mich zwingt, andauernd irgendwelche Lügengeschichten zu erfinden.
»Hallo?«
»Alicja?«, fragt eine polnische Stimme. »Mówi Sylwia.« Hier spricht Sylwia.
Mir bleibt fast das Herz stehen. Seit der Sache mit Celestyna weigere ich mich, mit den beiden zu reden, aber wenn ich jetzt auflege, sieht es vielleicht komisch aus. Wenn ich allerdings nicht auflege, hören die Jungs von den Elektrizitätswerken mich Polnisch reden, was jedenfalls mir wie das Eingeständnis vorkäme, dass hier irgendwelche krummen Geschäfte laufen.
»Ja«, sage ich auf Schwedisch und so neutral wie möglich.
»Alicja, ist deine Mutter da?«, zwitschert Sylwia.
Ich schiele zu den Jungs, die zu meiner Erleichterungschon anfangen, das Bohrloch in der Wand zu vergrößern, damit sie das Kabel austauschen können.
»Nie, ona jest w pracy.« Ich flüstere so leise wie nur irgend möglich, dass Mutter in der Arbeit ist.
»Ich kann dich nicht hören«, sagt Sylwia. »Ich muss unbedingt mit ihr reden. Ist sie in der Arbeit?«
Ich merke, dass der Kleinere plötzlich neben mir steht. Jetzt darf ich auf gar keinen Fall Polnisch reden.
»Tak« , sage ich.
Kurze Lektion in Polnisch: »Tak« heißt auf Polnisch »ja«. Es klingt nur fast wie das schwedische »tack«, »danke«, weshalb meine Freunde lange brauchten, um zu begreifen, dass ich mich nicht ständig bei meiner Mutter bedanke. Jetzt hoffe ich, dass Sylwia ein polnisches Ja und die Jungs von den Elektrizitätswerken ein schwedisches Danke gehört haben.
»Ich habe die wunderbarsten Neuigkeiten«, fährt Sylwia auf Polnisch fort.
»Entschuldige«, sagt der Kleinere. »Wo war noch mal der Sicherungskasten? Wir müssen an die Hauptsicherung.«
»Tak« , sage ich zu Sylwia mit der wahrscheinlich seltsamsten Betonung der Welt und zeige mit der rechten Hand in Richtung Flur.
»Du wirst nie glauben, was passiert ist«, sagt Sylwia. »Deine Mama muss sofort anrufen, wenn sie nach Hause kommt.«
»Okay«, sage ich so neutral wie möglich.
»Danke, Alicja«, sagt Sylwia.
»Tak!« , sage ich. Dann lege ich auf und denke, dass Zweisprachigkeit schon auch seine
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