Widerstand zwecklos - Der Versuchung ergeben (German Edition)
nahm sie wahr. Groß war er; sie schätzte ihn auf ungefähr einen Meter fünfundachtzig, vielleicht sogar etwas größer. Sein dunkelbraunes Haar trug er kurz, beinah militärisch kurz. Der dunkle Anzug saß perfekt. Dieser Mann machte eine gute Figur. Er gehörte eindeutig nicht in die Kategorie „Bürschchen“, die noch zu Hause bei Mami und Papi wohnten und darauf hofften, irgendwann eine solche Statur vorweisen zu können, entschied Liz und lachte über ihren merkwürdigen Gedankengang beinahe laut auf. Liz’ Augen klebten förmlich auf seinem muskulösen Körper. Sie fand, dass er sich hervorragend dafür eignete, ihr die Ablenkung zu verschaffen, nach der sie sich eben noch gesehnt hatte. Liz beschloss, es sei an der Zeit, dem Kerl, der sich so einträchtig mit ihrer Schwägerin unterhielt und den es anscheinend nicht die Bohne interessierte, dass Annie bereits vergeben war, ein wenig auf den Zahn zu fühlen.
Sie nahm einen Schluck aus der Bierflasche, die sie locker in der linken Hand hielt, und stieß sich von dem breiten Baumstamm ab. Gemächlich schlenderte sie aus ihrem Versteck zu dem Paar hinüber, zog dabei eine Schachtel aus ihrer Jackentasche, schüttelte eine Zigarette heraus und schob sie sich zwischen die vollen Lippen. Dann zündete sie sie an und sog den Rauch tief ein.
Nur wenige Schritte hinter dem Pärchen, das ihre Anwesenheit noch immer nicht bemerkte, blieb sie stehen. Mit einem leisen, spöttischen Lachen zog sie die Aufmerksamkeit ihres potenziellen Opfers auf sich. Abrupt drehte sich der breitschultrige Mann zu ihr um und starrte Liz einen Augenblick lang verblüfft an, bevor eine seiner dunklen Augenbrauen sich fragend hob. Liz ignorierte ihn jedoch und wandte sich stattdessen ihrer künftigen Schwägerin zu.
„John sucht sicher schon nach dir, Annie. Meinst du nicht, du solltest langsam wieder zu ihm zurückgehen, bevor er sich vielleicht fragt, wo du steckst?“
„Liz! Wo kommst du denn her? Ich habe dich gar nicht gesehen.“
Liz grinste innerlich. Annie war vor Schreck herumgefahren. So klammheimlich ertappt zu werden, war ihr sicher unangenehm. Oder war etwa Liz’ plötzliches Auftauchen schuld an ihrem verstörten Gesicht? Ganz sicher konnte sie sich nicht sein und beschloss, der Verlobten ihres Bruders ein wenig einzuheizen. „Das glaube ich gern. Du warst hier ja auch schwer beschäftigt. Störe ich etwa?“
„Es ist nicht so, wie du denkst.“
„Nein, nein, gewiss nicht. - Was denke ich denn?“ Um Liz’ Mundwinkel zuckte ein spöttisches Lächeln, während sie ein weiteres Mal an ihrer Zigarette zog und Annie gespielt freundlich anschaute. Doch so leicht ließ sich ihre Schwägerin in spe offenbar nicht einschüchtern.
Annie seufzte leise, schüttelte genervt den Kopf, sodass ihre dunklen, schulterlangen Locken wild hin und her wogten, wandte sich schließlich ihrem Gesprächspartner zu und ignorierte Liz dabei auf vornehme Art. So machte man das mit kleinen, frechen Mädchen! Sie kannte Johns Schwester nun schon seit einiger Zeit und hatte mehr als genug ihrer Eskapaden miterlebt, um sich davon noch beeindrucken zu lassen.
Anfangs war ihr Liz’ angriffslustige Art noch vollkommen unverständlich erschienen, bis John ihr erzählte, dass der Tod ihrer Mutter sie so sehr veränderte.
Jeder Mensch verarbeitete dramatische Erlebnisse anders, und es tat Annie in der Seele weh, wie sehr Liz auch nach den vielen Jahren noch immer unter dem Verlust ihrer Mutter litt. Zu gern würde sie eine bessere Beziehung zu ihrer künftigen Schwägerin aufbauen, wenn Liz es doch nur zuließe und nicht jeden ihrer Annäherungsversuche im Keim ersticken würde. Annie hatte jedoch nicht vor aufzugeben, dafür mochte sie Liz viel zu sehr.
Sie fand vor einiger Zeit heraus, dass sie Liz, wenn diese ein solch provozierendes Verhalten an den Tag legte, den Wind aus den Segeln nehmen konnte, indem sie sie und ihre bissigen Kommentare einfach ignorierte und somit keine Angriffsfläche bot. Eine andere Möglichkeit bestand darin, Liz einfach an Ort und Stelle stehenzulassen. Und genau das tat sie auch jetzt.
„Entschuldige mich, Gray! Wir sehen uns sicher später noch einmal. Dann werde ich dir gern mehr über den Landschaftsarchitekten erzählen, der mit der Planung der Anlage betraut wurde.“ Ein letzter missbilligender Blick in Richtung der Unruhestifterin, dann drehte Annie sich um und ließ beide einfach im Garten stehen.
War der Landschaftsarchitekt nicht Annies Cousin
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