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Wie alles begann ... Die Geschichte eines Coming-Out (German Edition)

Wie alles begann ... Die Geschichte eines Coming-Out (German Edition)

Titel: Wie alles begann ... Die Geschichte eines Coming-Out (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nik S. Martin
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– dann hab ich wenigstens Realschulabschluss. Abi kann ich knicken …“
    Eva nickte zum wiederholten Male. Nachdenklich sah sie mich an, drehte in der Hand ihre Tasse hin und her.
    „Du brauchst das Zeugnis, also musst du Wohl oder Übel zu Hause anrufen, damit sie es dir schicken. Und was dann? Wir haben Sommer, jetzt noch eine Ausbildungsstelle zu finden, wird nicht leicht.“
    „Das Zeugnis kann ich auch bei der Schule anfordern und irgendwo werde ich schon was finden. Köln ist ja kein Dorf.“
    „Du kannst das nicht bei der Schule anfordern, du vergisst, dass du nicht volljährig bist! Deine Eltern müssen die Schule informieren, dass du abbrichst. Mir scheint, du hast dir das alles etwas zu einfach vorgestellt.“
    „Hatte ich eine Wahl? Nein. Wenn der eigene Vater nur Verachtung zeigt, sogar angewidert das Gesicht verzieht – was soll ich dann da? Du kennst ihn, er wird mich nie akzeptieren, jetzt wo er es weiß! Ich hab ihm eine verpasst …“
    „Hoppla! Und deine Mutter? Hast du auch an sie gedacht?“ Wieder sah Eva mich prüfend an.
    Ich zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht, sie tanzt ja doch meistens nach seiner Pfeife.“
    „Aber sie ist deine Mama“, warf Eva ein.
    Ich schüttelte nur den Kopf und starrte auf die Tischdecke.
    „Pass auf. Ich rufe an und sage Bescheid, dass du hier bist. Zumindest müssen sie sich dann nicht sorgen, dass du auf der Straße herum lungerst. Vielleicht schicken sie mir auch das letzte Zeugnis. Du kannst inzwischen duschen. Wenn ich in den Laden fahre, kommst du mit. Für den Anfang kannst du mir da helfen. Wenn das Abschlusszeugnis da ist, gehst du zum Arbeitsamt, klar?“
    Ich sah sie an und grinste. „Du bist super! Danke.“
    „Ich bin deine Tante – soll ich dich etwa vor die Tür setzen? Aber das rettet dich nicht davor, arbeiten zu müssen! Eigentlich kommst du mir wie gerufen, heute ist viel los, es kommt die größte Lieferung der Woche. Und, mein Lagerist muss seit zwei Wochen alles alleine stemmen, denn sein Kollege hat gekündigt, um nach Australien auszuwandern. Noch hab ich keinen Neuen gefunden.“
    „Ich kann arbeiten, hab ja keine zwei linken Hände!“, erklärte ich lachend.
    „Hm, was für Pläne hattest du? Ich meine, nach dem Abi – was sollte danach kommen?“
    „Ich war nicht sicher. Ich schwanke noch immer, aber das ist ja jetzt sowieso erledigt. Studieren kann ich streichen. Aber ich helfe dir gerne im Laden, selbst wenn ich hundert Kartons ausräumen muss. Einen Job werde ich mir suchen, egal was … hier dürfte wohl was zu finden sein.“
    „Jetzt geh erstmal duschen!“, scheuchte sie mich.
     
    Eine halbe Stunde später stand ich geduscht und rasiert wieder in der Küche. Frische Klamotten am Leib, die restlichen Sachen im Gästezimmer verstaut. Eva machte sich fertig und ich war überrascht, als ich sie die Treppe herunter kommen sah. Sie war eine richtige Lady, schickes Kostüm, High Heels, die Frisur und das Make-up perfekt.
    „Wow“, entfuhr es mir.
    Sie lächelte. „Danke. Ich muss schon ordentlich aussehen, sonst laufen mir die Kunden davon.“
    Ich war wirklich baff. Klar, ich wusste, dass sie in ihrem Geschäft nur edle Sachen verkaufte. Porzellan, kleine Möbelstücke, Dekoartikel – alles von namhaften Designern. Entsprechend musste sie als Aushängeschild fungieren. Nur hatte ich sie noch nie so gesehen. Die wenigen Familientreffen der Vergangenheit waren alle in ihrer Freizeit gewesen, denn meist hatte sie uns besucht. Einzig zu ihrem Vierzigsten waren wir hergefahren, das war jetzt drei Jahre her.
     
    Wir fuhren in die Innenstadt. Eva parkte ihren Wagen in der zum Laden gehörigen Garage und stieg aus. Als wir den Aufzug nach oben nahmen, war ich nervös. Ich kannte ihr Geschäft nicht, war nie dort gewesen. Mein Vater hatte immer gemosert, dieses Schickimicki-Zeug bräuchte eh keiner. Eva schien es damit aber gut zu gehen, denn neben dem Haus nannte sie auch eine teure Limousine ihr eigen. Ich vermutete langsam, dass mein Vater neidisch auf der Erfolg seiner jüngeren Schwester war.
    Die Fahrstuhltüren glitten auf und mir blieb die Spucke weg. Meine Augen wussten nicht, was sie zuerst ansehen sollten. Glitzernde Leuchter, Glasvitrinen voller Geschirr und Kristallgläsern in vielen Varianten. Edle Sessel, Tische und Schränkchen. Dann fielen mir die Stoffe ins Auge, einer schöner als der andere. Sofort ging ich darauf zu. Samt und Seide, Brokat und feinste Baumwolle. Stoffe um Möbel und Fenster zu

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