Wie ausgewechselt
es ab 2002 nur noch bergab gegangen mit seinem Verein. Keine Teilnahme an der Champions League, vier Trainerentlassungen, da die Experimente mit Frank Neubarth, Marc Wilmots, Jupp Heynckes und Ralf Rangnick nicht funktionierten, dazu kam ein kräftig angewachsener Schuldenberg. Die einzige Instanz, die ihn kontrollieren konnte, war der Aufsichtsrat. Und der segnete lange alles ab, was Assauer, der die Rolle eines Patriarchen einnahm, vorschlug. Doch schon im September 2004 bekam er von Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies via Süddeutsche Zeitung eine deutliche Warnung mitgeteilt: »Herr Assauer weiß, dass er mit dem Feuer spielt. Wenn er jetzt noch mal danebengreift, kriegt er es schwer – mit dem Aufsichtsrat und mit den Vorstandskollegen, weil er immer stur seine Meinung vertreten hat.« Tönnies fügte noch hinzu: »Wir haben einen Manager, der Schalke nach außen repräsentiert, wie es ist, ein bisschen verrückt, aber liebenswert. Rudi Assauer ist in den vergangenen Jahren teamfähiger geworden, nach außen mimt er den Macho, das soll er auch. Er ist bienenfleißig und hochloyal, aber er hat es hier und da überzogen, wir sind ja nicht in einem Fürstentum.«
Assauer wird damals in den Medien »Dagobert Duck« genannt, weil er in einer finanziell brenzligen Zeit Spielerkäufe tätigte. Ab 1999 wurden rund 60 Millionen Euro in neue Spieler investiert, andererseits jedoch durch Verkäufe nur zwei Millionen eingenommen. Zusätzlich zu den jährlich zehn Millionen Euro, die zur Tilgung der Kredite für den Arena-Bau verwendet wurden, waren weitere sieben Millionen pro Jahr fällig, um eine 85-Millionen-Euro-Anleihe des Londoner Finanzmaklers Stephen Schechter aus dem Herbst 2002 abzustottern. Als Sicherheit hatte Schechter unter anderem die über 24 Jahre laufende Verpfändung der Zuschauereinnahmen verlangt. Ein weiterer Malus: Die 17 Tochtergesellschaften, bei denen Assauer als Geschäftsführer fungierte, sammelten rund 17 Millionen Euro Verlust an.
»Es ist immer das alte Lied: Wenn es einem Verein dreckig geht, dann wollen sie damit alle nichts zu tun haben. Geht es einem Verein gut, dann kommen sie alle raus aus den Löchern und sagen, sie würden gerne mitmachen. Die wollen nur das, was man erreicht hat, schön weiter verwalten. Alle Pläne, die ich mit Schalke hatte, habe ich eins zu eins umgesetzt. Ob ich wohl damals zu mächtig geworden sei, wurde ich oft gefragt. Meine Antwort lautete stets: ›Nur wenn man diese Macht ausspielt, wird es gefährlich.‹«
Für Werner Hansch ist die ganze Geschichte ein zweischneidiges Schwert. »Rudi hat seine Entlassung ja immer auf Tönnies geschoben, den ›Wurst-Heini‹, wie er ihn nannte«, erzählt er, doch der Journalist sieht auch seinen engen Freund kritisch: »Laut Tönnies aber ist Rudi letztendlich über sein eigenes Werk, über die Arena, gestolpert – so kurios und bitter das auch klingt. Alle haben ihm in der Zeit nach Fertigstellung der Arena gesagt: ›Assi, du bist der Größte! Rudi, du bist der Beste!‹ Da ist er auch meiner Meinung nach leicht abgehoben, hat den Bodenkontakt verloren, bekam zu viel Wind unter die Flügel. Er glaubte, den Status der Unverletzlichkeit erreicht zu haben. Und ein Diplomat war er ja nie. Wenn er in den Aufsichtsratssitzungen den anderen Teilnehmern – für ihn Ahnungslose – immer mal wieder über den Mund gefahren ist, hat das Spuren hinterlassen. Denen ging das gegen den Strich. Er hat sie gegen sich aufgebracht, hatte damit am Ende zu viele Gegner.«
Assauer weiß in dieser Zeit, dass Schalke seit dem finanziellen Quantensprung infolge der Arena-Eröffnung zu den wichtigsten Steuerzahlern der Stadt Gelsenkirchen zählt. Der Verein ist mit all seinen Tochtergesellschaften zu einem riesigen Konzern geworden. Schon immer wies die Stadt die höchsten Arbeitslosenraten des Ruhrgebiets auf. Ende der 90er-Jahre wurde ein CDU-Politiker zum Bürgermeister gewählt – und das in einer traditionell sozialdemokratischen Hochburg. Die gefühlte Überlegenheit seines eigenen Vereins der gesamten Stadt gegenüber drückt Assauer im August 2003 scherzhaft so aus:
»Wir sagen einfach: Schalke bewirbt sich als Partei für das Stadtparlament. Dann hauen wir sie alle weg, dann hat keiner mehr eine Chance – und wir haben alles in der Hand. Demnächst gehört uns hier die ganze Stadt. Dann bestimmen wir den Bürgermeister. Wir sagen, was gemacht wird. Und dann geht es wieder bergauf mit dieser Stadt.«
Und weiter im Text, aber
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