Wie ausgewechselt
lässt sich der Manager kündigen.
»In meiner Anfangsphase als Nachfolger von Rudi hat Tönnies mich öffentlich gelobt, sogar mein Vertrag wurde verlängert. Dann habe ich Fred Rutten geholt, einen der besten Trainer, den es in meinen Augen überhaupt gibt. Sein Problem aber war, dass er keine gute Außendarstellung hatte. In der Saison 2008/09 lief alles schief. Im März waren wir nur auf Platz sieben in der Liga, schieden im DFB-Pokal und im UEFA-Cup aus – und dann war ich dran. Ab diesem Moment habe ich nachvollziehen können, wie sich Rudi damals gefühlt hat. Bei mir war’s ja beinahe das gleiche Spiel. Ich wusste, sie würden jede Chance nutzen, mich kleinzumachen. In der Zeit der direkten Nachfolge hatte ich zu Rudi circa zwei Jahre keinen Kontakt. Er war sauer und wütend, weil ich nach seiner Demission nicht auch gleich mitgegangen bin, mittlerweile sind wir aber wieder befreundet. Es ist alles geklärt und ausgesprochen.«
Beide hegen heute eine Abneigung gegenüber der bestehenden Vereinsführung. Wenige Monate nach seiner Entlassung 2006 schimpfte Assauer:
»Da sind einige Leute drin, die haben neue Ideen und wollen neue Strukturen schaffen, kennen aber den Verein gar nicht. Das sind Banker, Steuerberater, Rechtsanwälte, sicherlich verstehen die ihr Handwerk – aber den Fußball eben nicht. Solche Leute sind ein Fluch, den man so schnell nicht wieder loskriegt. «
Heute klingt Assauer versöhnlich. Die ganze Wut, der langjährige Groll – alles verflogen. Die Krankheit verwischt die Emotionen, lässt alles vergessen. An die konkreten Auseinandersetzungen, etwa mit Clemens Tönnies und Olaf Thon oder mit den Trainern Christoph Daum und Peter Neururer, kann er sich schlicht kaum noch erinnern. Alzheimer löscht alles.
Ein Beispiel: Während Assauers erster Amtszeit auf Schalke hatte er sich geweigert, Neururer zu verpflichten, der immer wieder zurückwollte zu seinem erklärten Lieblingsverein. »Eher friert die Hölle zu, bevor ich den engagiere«, sagte Assauer damals. Dabei ging es um Neururers Umgangsformen und auch um sachliche Fehler. Im Herbst 2011 hat man sich in der La Ola, dem VIP-Bereich der Schalker Arena, wiedergetroffen, sich die Hand gegeben und kurz Hallo gesagt.
»Alles in Ordnung, alles gut. Ich habe da keinerlei Ressentiments mehr.«
Wenn es überhaupt einen positiven Aspekt der Demenzerkrankung gibt, dann den, dass das Vergessen manchmal hilft, den inneren Frieden in bestimmten Punkten zu finden.
3. Meine Kindheit in Herten
»Kegeljunge im Katzenbusch«
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Einmal im Jahr vergibt der Verein pro Ruhrgebiet (VpR) den Titel »Bürger des Ruhrgebiets«. 2003 erhält Rudi Assauer diese Auszeichnung. Eine große Ehrung, zu den Preisträgern gehören unter anderem der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau und Bundestagspräsident Norbert Lammert. Mit Assauer wurde eigentlich ein gebürtiger Saarländer auserwählt. Denn Assauer kommt am 30. April 1944 in Sulzbach-Altenwald, einem Städtchen an der Saar, zur Welt, nur wenige Wochen bevor die westlichen Alliierten während des Zweiten Weltkriegs in der Normandie landen.
»Meine Mutter Elisabeth – sie wurde Else genannt – war Saarländerin. Sie kam als junges Mädchen nach Herten. Mein Vater Franz stammte aus dem Kohlenpott. Das Ruhrgebiet wurde 1944 bombardiert. Die Lage war alles andere als rosig. Mein Vater war im Krieg, und mein älterer Bruder Lothar hielt sich in Berchtesgaden auf. Seine Schule, das städtische Gymnasium, wurde evakuiert. Da meine Mutter wusste, dass sie Zwillinge erwartete, hat sie sich entschlossen, ihre Kinder an einem ruhigeren Ort zur Welt zu bringen. Daher reiste sie zu ihrer älteren Schwester Guste, die mit ihrem Mann noch im Saargebiet lebte. Und so wurden meine Schwester Karin und ich im Hause der Tante geboren. Ihr Mann, unser Onkel, hieß Rudolf. Ja, und so hab ich den Namen Rudolf bekommen. Ich bin zehn Minuten eher als meine Schwester zur Welt gekommen. Ist ja logisch, man muss immer die Nase vorn haben. Kurze Zeit später kehrte meine Mutter dann mit uns zurück ins Ruhrgebiet. Ich würde ganz klar sagen: Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets, nur zufällig im Saarland rausgerutscht.«
Franz Assauer ist gelernter Stellmacher, eine Art Zimmermann, der Räder, Wagen und andere landwirtschaftliche Geräte aus Holz herstellt. Schreiner würde man heute dazu sagen. Als Rudi und Karin zur Welt kommen, ist er Soldat. Assauer senior wird verwundet
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