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Wie ausgewechselt

Wie ausgewechselt

Titel: Wie ausgewechselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudi Assauer , Patrick Strasser
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und gerät in russische Gefangenschaft. Später machen ihm seine Verletzung am Fuß und der Ischiasnerv sehr zu schaffen, er ist oft arbeitsunfähig und wird schließlich Frühinvalide. Gelegenheitsarbeiten halten die Familie über Wasser. Im fortgeschrittenen Alter bessern sich dann seine Beschwerden, und er findet noch eine Stelle als Einschaler am Bau. Mutter Else hat früher im Hotelgewerbe gearbeitet. Sie führt den Haushalt und erzieht die Kinder.
    » Ich habe viel Blödsinn gemacht, meistens mein Schwesterlein gepiesackt. Die hat dann immer geschrien. Wenn wir uns so richtig in der Wolle hatten, bekam ich was hinter die Ohren. Meine Mutter hatte stets den Klopper auf dem Küchenschrank liegen. Und wenn es ihr zu bunt wurde, haben wir beide Prügel gekriegt. Papa hat zu Hause nie viel geredet, streng war er überhaupt nicht. Ich habe ihn wenig gesehen, er war viel unterwegs. Wenn er nicht gearbeitet hat, spielte er in seiner Stammkneipe Skat. Er war ein guter Spieler und hat so manche Mark nebenbei gemacht. Was für mich aber ganz wichtig war: Er hat mich und mein Hobby Fußball immer unterstützt. Was das Handwerkliche betrifft, habe ich nichts von ihm geerbt. Meine Güte, ich hatte immer zwei linke Hände – zum Glück keine zwei linken Füße.«
    Familie Assauer lebt in Herten-Süd, Westfalen, in einem beschaulichen Stadtteil. Nahezu die gesamte Region ist auf der Zeche Ewald beschäftigt. Herten war einmal Europas größte Bergbaustadt. Auch Franz Assauer hat einige Zeit über Tage »auf Ewald« gearbeitet. Immerhin bekam er später sogar eine Knappschaftsrente.
    »Den Menschen ging es nicht besonders gut. Auch meine Eltern hatten nicht viel, aber wir mussten nie hungern. Mutter war eine gute Köchin. Ich erinnere mich noch: Freitags gab es immer Fisch – frisch vom Markt. Ich aß am liebsten Schellfisch mit Senfsoße. Dass das heutzutage eine Delikatesse ist – ich glaub’s ja nicht. Samstags gab es einen Suppeneintopf: Erbsen, Linsen oder Graupen. Und dann war da noch das Sonntagsessen, sehr üppig: Suppe, Braten und Nachtisch, nachmittags leckeren Kuchen. Mutter hat immer für montags mitgekocht. Dazwischen gab es mal Nudeln, Pfannkuchen und oft einen Gemüseeintopf.
    Wir lebten in einem großen Häuserblock, der sich über die Herner Straße und Augustastraße zog. Eigentümer war die Gemeinnützige Wohnungsfürsorge. Zuerst wohnten wir in der Herner Straße. Da teilten wir uns mit einer anderen Familie eine große Wohnung. Wir hatten zwei Zimmer: Wohnküche und Schlafzimmer. Als wir etwa vier, fünf Jahre alt waren, zogen wir um die Ecke in die Augustastraße in eine Drei-Zimmer-Wohnung mit Bad. Alles von meinem Vater schön renoviert. Im Schlafzimmer standen drei Betten. Ich musste beim Vater schlafen, meine Schwester bei Muttern. Lothar, der Ältere, hatte sein eigenes Bett. So war das damals. Und dann haben meine Eltern noch unsere Oma aufgenommen. Sie kam allein nicht mehr zurecht, war leicht verwirrt und wohnte im Wohnzimmer. Als sie starb, waren wir etwa zehn Jahre alt. Zwei Jahre später zog mein älterer Bruder aus. Er heiratete. Jetzt hatten wir mehr Platz. Bei unserer Konfirmation haben die Eltern extra für die Feier nach der Kirche das Schlafzimmer ausgeräumt und Tische aufgestellt. Das Wohnzimmer wäre zu klein gewesen für die vielen Gäste. Wir haben zwei Nächte auf Matratzen geschlafen – ging alles.«
    Lockenkopf Rudi will als kleiner Junge Pilot werden. Eine Tante wohnt in Düsseldorf, und wenn er sie in den Ferien besucht, zieht es ihn immer zum Flughafen hin. Ein weiterer Berufswunsch: Förster, etwas bodenständiger. Onkel Herbert ist Förster und nimmt die Kinder oft mit zur Jagd.
    Rudi geht mit seiner Schwester in die Augusta-Schule, die auf der anderen Straßenseite direkt gegenüber der Wohnung liegt. Beide sind in einer Klasse – wie praktisch für Rudi, denn sie ist eine eifrige Schülerin, und er hat keine Lust auf Schule. »Sofort nach dem Mittagessen traf er sich mit seinen Freunden zum Fußballspielen. Die Hausaufgaben hat er später meistens von mir abgeschrieben«, erinnert sich Karin. »Nur in Mathe war er besser als ich. Irgendwie ist ihm alles zugeflogen. Ich habe gelernt,
war fleißig. Dass er mal gebüffelt hat, habe ich selten gesehen. Und wenn wir mal nicht weiterwussten, half unser Bruder Lothar.« Der Bruder ist 13 Jahre älter, für die Zwillinge fast wie ein zweiter Vater, eine Respektsperson. »Wir hatten kein Kinderzimmer, und so spielte sich alles

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