Wie ausgewechselt
Fußballfans für alle Zeiten wegen des Pfostenbruchs erinnern werden. An jenem 3. April 1971 ist die Ausgangssituation folgende: Die Bremer liegen auf Rang sieben in der Tabelle, haben ein ausgeglichenes Punktekonto mit 27 : 27 und damit keine großen Ambitionen nach oben oder Ängste in Sachen Abstiegskampf. Die Borussia liegt einen Punkt vor dem FC Bayern München an der Tabellenspitze und will mit einem Heimsieg gegen Werder den Vorsprung ausbauen. Dem Gladbacher Horst Köppel gelingt nach bereits sieben Minuten per Kopf das 1 : 0, doch Heinz-Dieter Hasebrink gleicht schon in der 16. Minute für Bremen aus – 1 : 1. Im Verlauf der Partie vor nur 14 500 Zuschauern bestürmen die Gladbacher das Werder-Tor, doch Bremens Torwart Günter Bernard ist an diesem Nachmittag nicht mehr zu bezwingen. Ein durchschnittliches, wenig aufregendes Bundesligaspiel, bei dem sich die Zuschauer kurz vor Schluss schon mit dem Remis abgefunden haben. Für Gladbach wäre das 1 : 1 im Titelkampf zu wenig, für Bremen ein ordentliches Ergebnis.
Dann die 88. Minute: Einer Freistoßflanke von Günter Netzer in den Werder-Strafraum springt Borussias Stürmer Herbert Laumen hinterher, doch Keeper Bernard lenkt den Ball über die Torlatte. Weil er zu viel Schwung drauf hat, landet Laumen im Netz. Und dann passiert es: Der linke Pfosten bricht, knickt ab wie ein Ast im Wind. »Plötzlich hörte ich ein Knacken und Knarren«, erinnert sich Laumen an den Moment. »Als ich sah, wie das Tor brach, bin in Deckung gegangen und lag dann da drin wie ein Fisch im Netz. Regelrecht gefangen, das morsche Gebälk auf mir. In der Nordkurve mit den Borussen-Fans setzte Riesengelächter ein.«
» Das mit dem Pfosten war eine der größten Geschichten meiner Karriere. Ein Punkt war uns beinahe sicher, für uns ein Erfolg. Ich lief in den Strafraum, um den Gladbacher Siegtreffer zu verhindern, und habe dann das Holz richtig knacken gehört. Was für ein Bild, als der Laumen da von Pfosten und Netz eingewickelt im Netz lag. Wir mussten erst mal richtig losprusten vor Lachen, nachdem wir erkannt hatten, dass nichts passiert war. Ein Bild für die Götter! Doch dann begannen sofort die Diskussionen. «
Und die Fragen: Was nun? Was tun? Schnell ist den Ordnern, Offiziellen und Spielern klar: Das Tor lässt sich nicht so leicht reparieren oder vernünftig aufrichten. Ob sofort ein Ersatz zu beschaffen ist, bleibt zunächst unklar. Große Hektik bricht aus, einige legen Hand an, andere weigern sich. Viele Meinungen, keine Klarheit. So einen Fall hat es ja auch noch nie gegeben. Zunächst packen Ordner des Bökelberg-Stadions mit an, und auch Bremer Spieler versuchen sich als unbeholfene Handwerker. Szenen wie in einem Slapstickfilm. Die meisten Werder-Profis nehmen an, dass es bei einem Spielabbruch ein Wiederholungsspiel geben wird. Sie wollen daher die Partie, diese letzten paar Minuten, am liebsten auch mit einem provisorischen Tor zu Ende bringen, um wenigstens den einen Punkt zu sichern. Wer weiß, was bei einem erneut angesetzten Spiel passieren wird. Aber genau darauf spekulieren die Gladbacher. Noch einmal, so der Hintergedanke, wird Werder kein Remis erzielen können. »Sie sehen doch, dass hier nichts zu machen ist. Brechen Sie das Spiel ab«, fordert daher Borussia-Kapitän Netzer Schiedsrichter Gerd Neuser auf. Netzers Argument: »Das ist höhere Gewalt. Wir werden noch einmal gegen Bremen spielen müssen.« Mittelstürmer Jupp Heynckes argumentiert da rabiater. Er tritt mehrmals von hinten ins Netz, damit das Tor beim Versuch, es aufzurichten, immer wieder umfällt. Eine groteske Szenerie. Und noch verwirrender, als Rudi Assauer eingreift.
»Ich verscheuchte unsere Jungs vom Tatort, denn Zembski, Björnmose und Deterding wollten das Tor so schnell wie möglich wieder aufbauen. Weil ich damals nicht nur Kapitän, sondern auch ein pfiffiges Kerlchen war, habe ich meinen Mitspielern gesagt: ›Männer, hört auf mich: Nicht helfen! Haut ab hier! Lasst das!‹ Mir war die Regel des DFB für solch einen Fall bekannt: In 20 bis 25 Minuten muss das kaputte Tor – oder eben ein neues – wieder ste hen, ansonsten gibt es einen Spielabbruch, und die Punkte werden dem Gast zugesprochen. Mein Glück war: In einer meiner Partien in der Regionalliga mit der Spielvereinigung Herten ist auch mal ein Tor runtergekracht. Damals bekam der Gastverein die Punkte, weil der Gastgeber als Organisator für die Durchführung der Partie verantwortlich ist.
Also machte ich
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