Wie ausgewechselt
Personalentscheidungen, die Assauer treffen muss. Vorbei ist es mit dem lockeren Spielerleben. Plötzlich ist er gezwungen, knallhart zu kalkulieren und unbequeme Wahrheiten auszusprechen wie: »Junge, der Trainer braucht dich nicht mehr, er plant ohne dich« oder: »Wir haben ein Angebot für dich und würden dich gerne verkaufen«. Meist hängt noch eine Familie daran, Frau und Kinder. Dann steht ein Umzug bevor, eine ungewisse Zukunft – gerade auch weil die Verdienstmöglichkeiten in den 70er-Jahren ja noch nicht so immens waren wie in späteren Jahrzehnten. Der Jungmanager erfährt damals schon die unangenehme Seite des Managerdaseins. Über seinen neuen Job denkt er damals so:
»Für die Spieler möchte ich ein Vertrauensmensch sein, zu dem sie Tag und Nacht mit allen Lebensfragen oder Problemen kommen können. Sie sollen auch das Gefühl haben, dass sie von mir bei Verhandlungen nicht über den Tisch gezogen werden. Ein gewisser Vertrauensvorschuss muss da sein. Abmachungen, die ich per Handschlag treffe, stehen auch später so in der Schriftform. Im Gegenzug erwarte ich von den Jungs, dass sie Charakter beweisen und alles dafür tun, damit wir gemeinsam Erfolg haben. Das Wichtigste ist, ehrlich und geradeaus zu sein.«
Und genau das lebt er selbst vor. Zum Beispiel, als er ganz plötzlich eine schwierige Entscheidung treffen muss. Eine, die über den Profifußball, den Job an sich hinausgeht. Eine, die in die Privatsphäre hineinreicht.
»Eines Tages wird mir zugetragen, dass unser Masseur schwul ist. Ich bin zu ihm gegangen und habe ihm gesagt: ›Junge, wir müssen nicht lange diskutieren. Tu mir einen Gefallen, und such dir einen neuen Job. ‹ Klingt hart, war aber notwendig. Vor allem mit Blick auf unsere damaligen Spieler. Als das rauskam, hatten die ein Problem und kein volles Vertrauen mehr. Der Kerl musste die Jungs ja durchkneten, überall anfassen. Um Gottes willen, ich hatte nichts gegen unseren Masseur, er hat einen guten Job gemacht. Es tat mir leid, eine unangenehme Situation. Aber das ging nicht. Ausgeschlossen.«
Auch heute noch ist Homosexualität ein Tabuthema im Fußball, nur ganz wenige, ein verschwindend geringer Prozentsatz der Aktiven, hat sich bis dato überhaupt geoutet. Im November 2011 etwa bekennt sich US-Kicker David Testo dazu, zuvor der Schwede Anton Hysen und als prominentester Fall Justin Fashanu aus England, der sich während seiner aktiven Laufbahn 1990 ein Herz fasst und outet. Acht Jahre später begeht er mit 37 Jahren Selbstmord. Die deutsche Nationaltorhüterin Nadine Angerer spricht offen über ihre Bisexualität, und Exnationalspielerin Ursula Holl ist mit einer Frau verheiratet. In anderen Sportarten gibt es einen viel selbstverständlicheren Umgang mit dem Thema: Die Tennisstars Martina Navratilova und Amelie Mauresmo haben sich zu ihrer Homosexualität bekannt, ebenso der Turmspringer Greg Louganis, der Rugbyspieler Gareth Thomas und die deutsche Fechterin Imke Duplitzer. Im Männerfußball Deutschlands kein einziger Spieler.
»Obwohl es, statistisch gesehen, welche geben müsste. Unser früherer Schalke-Trainer Jörg Berger hat bei dem Thema immer gesagt: ›Manager, du träumst.‹ Aber ich persönlich habe in über 40 Jahren Bundesliga noch keinen kennengelernt. Es sei denn, der hat sich sehr verstellt. Dass es welche gibt, ist klar. Doch würde sich einer outen – ach du lieber Gott, das wäre ein Riesenproblem. Was dann passieren würde, möchte ich keinem wünschen. Derjenige würde plattgemacht werden, von den Gegenspielern, von den Leuten im Stadion. Ich möchte nicht wissen, was dann in den Arenen gerufen werden würde – neben dem, was sowieso schon gebrüllt wird. Diese Angriffsfläche wäre wie ein gefundenes Fressen. Der Druck wäre enorm – und zu groß. In solchen Dingen ist der Fußball brutal. Diese Hetzjagd sollte man demjenigen ersparen. In fast allen Bereichen des Lebens ist es eine Selbstverständlichkeit geworden, nur im Fußball nicht. Es gibt homosexuelle Bürgermeister und Parteivorsitzende, man denke nur an all die Künstler. Doch scheinbar ist die Männerwelt Fußball nicht bereit für ein solches Outing – dabei leben wir im 21. Jahrhundert. Eigentlich schade. Aber auch ich gebe gerne zu, obwohl ich nichts gegen Schwule habe: Heutzutage ist das ja normal, dass ein Mann mit seinem Partner Händchen haltend durch die Gegend rennt, aber für mich ist das immer noch ein bisschen komisch. Für mein Empfinden ist es etwas anderes
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