Wie ausgewechselt
Zeit damals, höchstens mal ein paar Tage auf Norderney. Da konnte ich mich mit Tennis fit halten und ein wenig abschalten. Aber ansonsten war das ein Fulltime-Job, man musste ja immer am Ball bleiben – im wahrsten Sinne des Wortes. Dass ich kurz vor Weihnachten 1977 für ein halbes Jahr als Trainer eingesprungen bin, hatte mir Spaß gemacht, sollte aber einmalig bleiben.«
Die Spieler waren jedoch begeistert vom Training ihres Managers. »Rudi wäre für mich ein hervorragender Trainer geworden, wenn er nur gewollt hätte«, findet Torwart Burdenski. »Dafür zu sorgen, dass die Spieler die richtige körperliche Fitness haben, das konnte er. Zweitens hatte er ein Auge dafür, ob ein Spieler zum Verein und zur Mannschaft passte oder nicht. Rudi erkannte, auf welchen zwei, drei Positionen ein Team eine Veränderung benötigte. Des Weiteren musst du das Spiel lesen können, ein Gespür für den Verlauf einer Partie haben und dich clever und cool gegenüber den Medien präsentieren. Dieses Gesamtpaket hat Rudi Assauer verkörpert – ohne Wenn und Aber. Aus meiner Sicht brauchst du dafür keine Lizenz zu machen, keine Ausbildung. Man hat es drauf oder nicht. Ich habe damals oft zu ihm gesagt: ›Mensch, Rudi, warum machst du nicht dauerhaft den Trainerjob?‹ Ich spürte, dass es nicht ganz seine Welt war. Er wollte nicht, dass jemand über ihn entscheidet. Er wollte entscheiden.«
Nachfolger von Strohmann Fred Schulz wird ab 1. Juli 1978 Wolfgang Weber, der als Spieler 15 Jahre ausschließlich für den 1. FC Köln gekickt hatte. Werder ist die erste Trainerstation des ehemaligen Nationalspielers, der ein exzellentes Sporthochschulexamen abgelegt hat und als geschicktes Trainertalent mit psychologischem Einfühlungsvermögen gilt.
Der Umbruch, den Assauer eingeleitet hat und der mit einer Verjüngung des Kaders einhergeht, setzt sich fort. Zwei erfahrene Spieler, Stürmer Werner Görts, zwölf Jahre an der Weser aktiv, und Horst-Dieter Höttges, »Mr Werder Bremen« schlechthin, verlassen den Verein. Mit Stürmer Klaus Wunder, zuvor schon eineinhalb Jahre beim FC Bayern, und Mittelfeldspieler Benno Möhlmann gelingen Assauer zwei Transfers, die Werder weiterhelfen. Dennoch bestätigen die Grün-Weißen während der gesamten Saison ihr Image als graue Maus der Bundesliga. Platz elf ist das höchste der Gefühle, auf dieser Position geht die Mannschaft ohne größere Abstiegssorgen am 34. Spieltag über die Ziellinie. Im DFB-Pokal scheitert Werder in der zweiten Runde mit 2 : 3 an Eintracht Frankfurt. Das Bemerkenswerteste der Saison: Thomas Schaaf macht unter Trainer Weber und Manager Assauer im April 1979, genau zwölf Tage vor seinem 18. Geburtstag, sein erstes Bundesligaspiel für Werder. Danach bleibt er bis 1995 im Profikader und arbeitet dann ab Mai 1999 dort auch als Trainer.
Für Furore sorgt in jener Spielzeit hauptsächlich Assauer selbst. Er wird etwa zum Luftpiraten, »entführt« eine Maschine der Lufthansa. Der Tatort: über den Wolken zwischen Saarbrücken und Frankfurt. Die Tatzeit: der Morgen des 20. Oktober 1978, ein Freitag.
»Wir waren mit unserer Mannschaft und dem Präsidium nach einem TV-Termin auf dem Weg von Saarbrücken nach Frankfurt, dort sollten wir in eine Maschine nach Bremen umsteigen. Am Abend zuvor hatten wir bei der TV-Aufzeichnung für die Sendung Superschuss von Peter Krohn mitgewirkt. Ein großer Spaß – am nächsten Morgen kam die Ernüchterung: Als unser City-Jet von der Lufthansa wegen Nebels nicht in Frankfurt landen konnte, mussten wir eine Schleife fliegen – 30 Minuten lang. Wir wurden nervös. Unser Anschlussflug nach Bremen war das Problem. Wenn wir den verpasst hätten, wäre es eng geworden mit der Spielvorbereitung für die Partie am Abend gegen Braunschweig im Weserstadion.
Mir kam eine Idee. Daher bin ich mit Horst-Dieter Höttges ins Cockpit. Ich bat den Flugkapitän: ›Sie müssen uns helfen. Wir müssen unbedingt nach Bremen, weil wir am Abend das schwere Spiel gegen Braunschweig haben. Können Sie uns nicht direkt nach Hause fliegen?‹ Doch Pilot Bonnert, obwohl selbst Fußballfan, verweigerte die kleine Entführung. Er sagte: ›Warten Sie ab, Herr Assauer, der Nebel über Frankfurt legt sich.‹ Pustekuchen. Nichts war’s. Also zweiter Versuch, ich ging wieder ins Cockpit der Boeing 737. Mein nächstes Argument: ›Werder fliegt seit vielen Jahren mit der Lufthansa. Können Sie sich nicht von der Frankfurter Zentrale das Okay holen?‹ Bonnert
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