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Wie ausgewechselt

Wie ausgewechselt

Titel: Wie ausgewechselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudi Assauer , Patrick Strasser
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Mailand wechselt) und Thomas Linke (der zum FC Bayern geht) zwei Stützen der Mannschaft. Danach beginnt der sukzessive Absturz. 1998/99 wird man nur Zehnter, 1999/2000 gar Dreizehnter. Vier Jahre hintereinander verabschiedet man sich bereits in Runde zwei aus dem DFB-Pokal. Von 1999 bis 2001 ist man im Europacup nur Zuschauer. Erst im fünften Jahr unter Assauer fängt sich die Mannschaft wieder, ein wesentlicher Faktor für das Comeback der Stärke ist der Transfer von Andreas Möller im Sommer 2000, der vom Erzrivalen Borussia Dortmund kommt. Schalke schnuppert nun am Titel, es wird das dramatischste Bundesliga­finale aller Zeiten werden, das der Verein und Assauer erleben.
    Als Schalke zuletzt Deutscher Meister wird, ist Rudi Assauer 14 Jahre alt. Er sieht das Spiel im Fernsehen. Nicht zu Hause, denn die Eltern konnten sich keinen Fernseher leisten, sondern in einer Kneipe in Herten, in der sich Teenager Rudi ein paar Mark als Kegeljunge verdient. Eine überfüllte, stickige, verrauchte Bude. Männerschweiß, Bier und das Lärmen von schweren Kugeln, die auf Holz krachen.
    »Ich weiß noch: Der Berni, der Günter und der Manni haben die Tore gemacht. Das 3 : 0 hat der Manni mit dem linken Huf reingeballert, das werde ich nie vergessen.«
    Klodt, Siebert, Kreuz heißen die Torschützen im Finale 1958, Assauer hat sie alle noch präsent. Schalke besiegt den Hamburger SV im Niedersachsen-Stadion von Hannover vor über 80 000 Zuschauern souverän mit 3 : 0 und holt den siebten Meistertitel der Vereinsgeschichte. Bis heute der letzte. Unzählige vergebliche Anläufe seither prägen den Klubmythos. Diese letzte Meisterschaft scheint wie ein ewiger Fluch auf dem Verein zu lasten. Fans von Bayern München und vom Erzrivalen Borussia Dortmund feiern im Jahr 2008 mit Hohn und Spott: »50 Jahre kein Meister – FC Schalke.«
    1958 empfangen rund 200 000 Fans den Sonderzug aus Hannover, als dieser am Tag nach dem Finale im Gelsenkirchen Hauptbahnhof eintrifft. »Da standen mir die Tränen in den Augen«, erinnert sich Manfred Kreuz später, »alles war so voller Menschen, man hätte sich einfach von oben fallen lassen können und wäre doch immer aufgefangen worden.« Der Autokorso mit den Helden der Stadt kommt kaum durch. Eine Elf aus Ruhrpott-Jungs am Ziel ihrer Träume. Sechs Gelsenkirchener, drei Wanne-Eickeler und zwei Duisburger, trainiert von einem Österreicher, von Edi Frühwirth. Mit Willi Koslowski spielt sogar ein gelernter Bergmann im Team – alles Legende.
    43 Jahre und genau einen Tag später, es ist wieder ein Samstag, wird Rudi Assauer, nun Manager und Macher auf Schalke, endlich auch Meister – glaubt er. Er ist am Ziel seiner Träume – glaubt er. Für vier Minuten und 38 Sekunden. Denn tatsächlich wird er nur Meister der Herzen.
    »Auf Schalke war es für mich der schlimmste Moment. Weil es sportlich nicht gerecht war. Da verzweifelst du. Das ganze Drama habe ich mir nie wieder angeschaut, da würde ich bekloppt werden. Trotzdem weiß ich noch beinahe jedes Detail der letzten Spielminuten, die habe ich in Ausschnitten gesehen, als Wiederholung vielleicht fünfmal. Im Mai 2011 sagte jemand zu mir: ›Herr Assauer, da ist jetzt 10-jähriges Jubiläum. Sie wissen doch, Meister der Herzen und so.‹ Ich antwortete: ›Schau zu, mein Lieber, dass du deine Beine in die Hand nimmst.‹«
    Der 19. Mai 2001 ist das Schreckensdatum der Schalker Fußballgemeinde. Bayern München wird Deutscher Meister. So weit, so normal. Doch es sollte das irrwitzigste und emotionalste Finale einer Bundesligasaison werden. Und für Schalke der tragischste Moment der Vereinsgeschichte. Im Nachhinein ein fast schon unwirklicher Tag.
    Zunächst aber ist es ein herrlicher Tag. Die Sonne brennt, wolkenloser Himmel. Gefeiert wird schon vor dem Anpfiff. Mit einer sentimentalen Party nimmt man nach 28 Jahren Abschied vom Parkstadion. Das allein hätte schon genügt an Emotionen. Ein bisschen Wehmut, ein wenig Folklore, ein nettes Spielchen gegen die Spielvereinigung Unterhaching und ein paar Tränchen – ach, es hätte so ergreifend schön sein können. Kein Schalker dachte ernsthaft mehr an den Titel, den würden sich die Bayern an jenem 34. Spieltag doch nicht mehr nehmen lassen mit ihren drei Punkten Vorsprung. Was hilft da schon das bessere Torverhältnis der Königsblauen? Bayern, so die Stimmung in Gelsenkirchen, wird auswärts beim Hamburger SV das letzte Pünktchen mit ihrem pragmatischen Trainer Ottmar Hitzfeld souverän

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