Wie ausgewechselt
entlocken, habe ich mich kaputtgelacht. Richtig süß war das. Nur die Warterei am Flughafen nervte. Die Italiener haben uns fast zwei Stunden hängen lassen. Unfreundlich waren sie – klar, angefressen. Nur die Anhänger vom AC Mailand unter den Flughafenangestellten hatten gute Laune, wir hatten dem Erzrivalen ja den Pott aus den Händen gerissen. Als es irgendwann doch losging, hatte der Jens immer noch eine Zigarre zwischen den Zähnen und ist damit sogar über die Rollbahn zum Flieger gegangen. Ich dachte: Spinnt der denn? Nicht, dass die den Kerl noch verhaften.«
Während des Fluges vergisst Rudi Assauer sogar seine Flugangst. Der Pilot gratuliert, juchzt vor Freude ins Bordmikrofon. Die Spieler und Betreuer singen immer wieder: »Steht auf, wenn ihr Schalker seid.« Selbst bei Start und Landung sitzt kaum einer. Die Stewardessen müssen mehrere Augen zudrücken. Der Schlachtruf »Steht auf, wenn ihr Schalker seid« entstand übrigens 1997 beim Halbfinalrückspiel gegen Teneriffa. Es war die Geburtsstunde eines Gassenhauers, der in jedem Stadion Deutschlands mittlerweile Standard ist. Von Block I des Parkstadions aus verbreitete sich das Mitmachlied an jenem Abend in Minuten wie ein Lauffeuer über die Ränge. Und nun brachte der Schalke-Tross damit ein Flugzeug zum Wackeln. Hoch über den Wolken. Im siebten Himmel.
» Wir sind dann trotz unserer selbst verschuldeten ›Turbulenzen‹ sicher in Münster-Osnabrück gelandet. Der Pilot ließ eine Schalke-Fahne aus dem Fenster des Cockpits wehen, so sind wir übers Rollfeld zum Standplatz. Dann ging es mit dem Bus zur Geschäftsstelle. Während dieser Fahrt bin ich mal leicht eingedöst, ansonsten wurde nicht mehr geschlafen. In den Büroräumen angekommen, bot sich ein Bild der Verwüstung. Die Faxgeräte quollen über, lauter Glückwünsche. Unglaublich. Weiter ging es per Autokorso zum Parkstadion. Die ganze Stadt war auf den Beinen. Nach der Präsentation des Pokals im Stadion ging’s noch ins Rathaus zum Eintrag ins Goldene Buch der Stadt. Mensch, was hatten einige der Jungs Augenringe – daher trugen sie Sonnenbrillen bei Regenwetter. Gegen 22 Uhr war endlich Feierabend. Nichts ging mehr. Wir waren groggy vom Feiern.«
Der Pott ist im Pott. Rudi Assauer lässt die Trophäe ab dem 22. Mai 1997 im Schalker Klubheim hinter Glas ausstellen. Fans nehmen lange Wartezeitenin Kauf, um sich davor fotografieren lassen, in den ersten Wochen danach herrscht dort beinahe Belagerungszustand. Auch für die Mannschaft hat sich der Triumph gelohnt. Assauer zahlt an jeden Spieler des Kaders 75 000 DM aus, die höchste Prämie der Vereinsgeschichte.
»Ich bin heute noch stolz darauf, dass ich die Eurofighter-Mannschaft so zusammengestellt habe, dass wir den UEFA-Cup 1997 gewinnen konnten. Das waren meine Jungs. Für vieles, was danach geschah, war dies die Initialzündung.«
Dabei hatten Assauer und Stevens zuvor hinter verschlossenen Türen einen Plan ausgeheckt, der den größten Triumph der Vereinsgeschichte beinahe verhindert hätte. »Wir wollten zu Beginn meiner Tätigkeit diese etwas in die Jahre gekommene Truppe umbauen, etwas verjüngen«, erzählt Stevens. Mit der Leistungsexplosion seiner Spieler hat auch er nicht gerechnet. »Dann gewinnen die sensationell den UEFA-Cup! Ja, was machst du dann? Wenn du deinen Plan durchziehst und verdiente Spieler nur wegen ihres Alters verkaufst, hätten uns die Fans ausgelacht, hätten gesagt: Jetzt spinnen der Stevens und der Assauer. Du kannst dich eben nach Erfolgen nicht von bestimmten Spielern verabschieden, das ist ganz schwierig, das wird nicht akzeptiert. Schon gar nicht, wenn sie Publikumslieblinge sind. Deshalb haben wir in den Jahren darauf Probleme bekommen.«
Durch den UEFA-Cup-Sieg ist man, obwohl in der Liga schwacher Tabellen-Zwölfter, als Titelverteidiger für die kommende Europapokalsaison qualifiziert. 1997/98 – in der Bundesliga steht die Mannschaft auf Platz fünf – trifft Schalke dann erneut auf Inter Mailand – ein Witz des Schicksals. Nach drei erfolgreich überstandenen Runden, in denen man Hajduk Split, RSC Anderlecht und Sporting Braga ausschaltet, gibt es im Viertelfinale ein 0 : 1 in Italien. Beim Rückspiel im heimischen Parkstadion verlässt die Eurofighter dann endgültig das Glück: 1 : 1 nach Verlängerung und damit Endstation.
Nach dem sensationellen Triumph von 1997 wollte keiner der Helden den Verein verlassen. Nun, ein Jahr später, gehen mit Jens Lehmann (der zum AC
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