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Wie ausgewechselt

Wie ausgewechselt

Titel: Wie ausgewechselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudi Assauer , Patrick Strasser
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Miteinander dieser ganz und gar außergewöhnlichen Truppe. Die Italiener haben zwar gesagt: ›Guck mal an, diese Schalker, wen die alles aus dem Weg geräumt haben bis ins Endspiel.‹ Doch ihr Selbstverständnis war eher: ›Wer ist denn bitte Schalke zero quattro?‹ In den Zeitungen, das hatte ich mir übersetzen lassen, stand lediglich, dass wir sympathisch seien.«
    In den Tagen und Stunden vor dem Finale setzt eine wahre Völkerwande­ rung aus dem Ruhrpott gen Süden über den Brenner mit dem Ziel ­Mai land ein. Ein Jumbojet, elf weitere Chartermaschinen mit 2100 Fans, zwei Sonderzüge für je 1008 Anhänger sowie eine endlose Blechlawine von Autos und 60 Bussen machen sich auf den Weg. Und das, obwohl den Schalkern offiziell nur 10 284 Tickets zur Verfügung gestellt werden. Nach dem 1 : 0-Sieg im ersten Finale in Gelsenkirchen reisen ganze Fanklubs nach Italien, um Karten vor Ort zu erhaschen. Auf dem Schwarzmarkt werden noch am Spieltag Preise von bis zu 1000 DM und mehr pro Ticket bezahlt.
    »Es war der Schalker Tag schlechthin, ganz Mailand königsblau gefärbt. Viele Italiener sagten, so viele Auswärtsfans hätten sie noch nie gesehen in ihrer Stadt. Wo sich sonst die Tauben auf dem Domplatz niederließen, aalten sich nun Schalker in der Sonne. Unser Betreuer Charly Neumann zündete im Dom ein paar Kerzen an.
    Das Giuseppe-Meazza-Stadion war beinahe zur Hälfte blau-weiß, ein unglaublicher Anblick – etwas für die Abteilung Gänsehaut. Im weiten Rund verteilten sich mehr als 20 000 unserer Fans, viele schätzten knapp 30 000. Wie die Ameisen strömten die alle nach und nach am Abend in die große Schüssel. Und zu Hause im alten Parkstadion versammelten sich rund 40 000 Menschen, um die Liveübertragung auf der Videoleinwand zu verfolgen. An dem Abend hätte man wohl den Hauptbahnhof Gelsenkirchen klauen können oder das Dach des Musiktheaters, das hätte keiner gemerkt. Und es hätte auch keinen gekümmert.«
    Der Anpfiff rückt näher. Die Nervosität der Spieler steigt. Verteidiger Yves Eigenrauch etwa, der mit der Sonderbewachung von Inter-Star Youri Djorkaeff beauftragt ist, sagt zu Rudi Assauer: »Manager, wenn ich an das Spiel denke, werde ich verrückt. So groß ist die Anspannung.« Die ausführliche Vorbesprechung und Vorbereitung auf den Gegner findet noch im Hotel statt. Daher hält Trainer Stevens vor dem Anpfiff in der Kabine keine große Ansprache mehr.
    »Also, wer da nicht motiviert genug war und bereit, bis zum Umfallen zu rennen – dem war ja wohl nicht zu helfen. In solch einem Spiel! In Mailand war ich wie sonst meist auch in der Kabine dabei, habe mal einen Klaps auf die Schulter oder den Hintern gegeben, mal einen umarmt, gesagt: ›He, Alter, jetzt komm! Zeig’s ihnen!‹ Aber meistens habe ich meinen Mund gehalten, ich wollte nur als moralische Stütze dabei sein. Es war meist ein Gewusel und Gebrabbel in der Kabine, jeder hat seinen Senf dazugegeben – außer der Trainer sprach. Dann war Ruhe. Du hättest ’ne Stecknadel plumpsen hören können. Und das Herzwummern der Spieler.«
    Endlich beginnt das Spiel. Stevens lässt überraschenderweise sehr offensiv agieren, will Inter möglichst weit weg vom eigenen Strafraum halten und nicht nur stur verteidigen. Die Taktik geht auf. Mit einem 0 : 0 wäre Schalke am Ziel seiner Träume. Bis fünf Minuten vor Schluss geht auch alles gut. Dann sind die Schalker einen kurzen Moment unachtsam, und schon trifft Inters Mittelstürmer Ivan Zamorano zum 1 : 0. Königsblau taumelt, rettet sich jedoch wie ein angeschlagener Boxer, der schon kurz in den Seilen hing, in die Verlängerung. Der zweite Niederschlag droht. Ein Heber von Maurizio Ganz senkt sich in der 109. Minute über Torhüter Lehmann an die Latte. Zentimeterglück. Jetzt geht es ins Elfmeterschießen, ab zur Nervenprobe.
    »Die Mannschaft stand an der Mittellinie im Kreis. Wenn einer der Schützen dran war, ist er vorgelaufen zum Elfmeterpunkt. Ich stand unten an der Seitenlinie, natürlich neben Huub. Obwohl es verboten war, hab ich mir eine Zigarre angesteckt, zur Beruhigung. Dennoch hatte ich ein gutes Gefühl wie am Vormittag im Hotel. Da war wieder diese eigenartige Sicherheit: Wenn es einer schafft, dann diese Truppe. Sie hatten den größeren Willen. Also war ich relativ entspannt. Vielleicht war ich aber auch innerlich so aufgeregt, dass mein Körper mich ruhiggestellt hatte. Zum Selbstschutz.«
    Es geht los. Stevens steckt Lehmann vor dem Elfmeterschießen noch

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