Wie ausgewechselt
oder wenn einer im Probetraining war, habe ich meist nur ein paar Minuten, weniger als eine Viertelstunde, gebraucht, um zu wissen: Der kann was oder nicht, das wird einer oder eben nicht. Das habe ich auch dann immer allen Beteiligten sofort mitgeteilt – offenes Visier, direkt ins Gesicht: ›Der Junge kann was.‹ Oder: ›Lassen wir es lieber bleiben.‹ Ich habe mich selten getäuscht.«
Für Andreas Müller, Assauers Managerazubi in den Jahren von 2000 bis 2006, ein Phänomen. Die Fähigkeit zur Früherkennung behält Assauer auch während der Verhandlungen. »Was Rudi wie keinen Zweiten auszeichnete, war sein Gespür, seine Nase«, erinnert sich Müller, »er hat bei Gesprächen oder Verhandlungen nach ein paar Minuten gesagt: Mit diesem Berater geht es, mit jenem nicht. Mit diesem Manager funktioniert es, mit jenem nicht. Und auch was Gesprächstaktiken betrifft, habe ich viel von ihm gelernt: Man muss ja auch mal ohne Ergebnis auseinandergehen. Um der anderen Seite zu zeigen: Meine Herren, das ist unser Standpunkt. Bis hierhin und nicht weiter.«
Eine Zeit lang hat das Duo bei Schalke absolute Machtbefugnisse, was Transfers betrifft. Größere Ausgaben bis zu einer Summe X lassen sie sich von einem Eilausschuss des Aufsichtsrats mit dem Vorsitzenden Clemens Tönnies an der Spitze und einem weiteren Mitglied absegnen. Nur mit Trainer Huub Stevens arbeitet Assauer in all den Jahren beim FC Schalke ähnlich eng und effektiv zusammen. »Rudi und ich haben uns immer ausgetauscht, da war ein ganz enger Draht«, erzählt Müller und erinnert sich an die fachlichen Übereinstimmungen noch während seiner aktiven Zeit: »Schon damals hatten wir oft deckungsgleiche Gedanken zu diesem oder jenem Spieler. Als ich 33, 34 Jahre alt war und mein Knie schon nicht mehr so mitmachte, bot er mir an, die Zweite Mannschaft oder die A-Jugend zu trainieren. Ich hatte zwar 1991 den A-Schein der Trainerlizenz gemacht, die rechtlichen Voraussetzungen waren also da. Aber Trainer zu werden war nicht mein Ding. Mein Lebensplan sah eigentlich vor, mit 36 Jahren zurück in die schwäbische Heimat zu gehen. Doch Rudi hat mich überredet, bei Schalke zu bleiben. Also habe ich schon in meiner letzten Saison als Spieler, in der ich nur noch Stand-by-Profi war, zwei-, dreimal pro Woche in der Geschäftsstelle reingeschaut.«
»Den Managerjob, den kannste nicht lernen, das kann man nicht studieren – höchstens learning by doing. Der Andy hat sich mit in mein Büro gesetzt und einfach mal zugehört, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie der Alte das so macht, wie er so telefoniert und verhandelt. Auch bei Gesprächen mit Spielern, Beratern und Sponsoren war er hin und wieder dabei. Die Jungs aus der Mannschaft haben das akzeptiert. Nicht, dass da einer auf den Gedanken kam, der Müller wäre ein Spitzel vom Assauer. Den meisten Spielern von heute kannste kein X fürn U vormachen. Zu meiner aktiven Zeit waren wir alle Malocherkinder. Heute haben in der Mannschaft mehr als die Hälfte Abitur, einige sogar ein Studium begonnen. Die Gespräche untereinander besitzen eine andere Qualität, da wurde in der Kabine auch mal über die große Weltpolitik diskutiert. Die heutige Generation hinterfragt alles, jede Entscheidung. Früher hat man jemandem in den Hintern getreten, wenn er nicht spurte. Danach hat er wieder das getan, was er sollte. Heute muss man den Spielern viele Fragen beantworten. Das Lieblingswort heißt: warum.«
Müller bekommt nach seiner Einarbeitung ein eigenes kleines Zimmer auf der Geschäftsstelle, direkt neben Assauers Büro. »Aber im Grunde saßen wir immer zusammen«, sagt Müller, »wir hatten unendlich viel Spaß, damals war es so, dass wir mehr Zeit miteinander verbracht haben als mit unseren Familien. Wie oft und wie lange wir gemeinsam im Auto saßen oder im Flieger zu Verhandlungen – irre.«
Der erste Transfer, den Müller anstößt, bricht gleich einen Rekord. Emile Mpenza ist im Januar 2000 Schalkes bis dato teuerster Einkauf der Vereinsgeschichte. Müller erzählt: »Wir wollten eigentlich Bart Goor verpflichten, den belgischen Linksverteidiger vom RSC Anderlecht. Daher bin ich zu einem Spiel gereist und habe ihn beobachtet. In dieser Partie ist mir Mpenza vom Gegner Standard Lüttich aufgefallen. Ich habe Rudi angerufen und gesagt: ›Vergiss den Goor, wir müssen den Verrückten da vorne holen, den Mpenza. Der ist eine Rakete.‹ In der Winterpause kam er dann für 17 Millionen DM Ablöse – ein ganz
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