Wie ausgewechselt
Verlängerung im Halbfinale des DFB-Pokals gegen den FC Bayern München am Mittwoch, dem 2. Mai 1984, der vielleicht besten Pokalpartie aller Zeiten. An einem kühlen, diesigen Abend im Parkstadion macht Thon drei sagenhafte Treffer – einmal mit dem Kopf, einmal mit rechts, einmal mit links –, der letzte sichert in der Nachspielzeit der Verlängerung das Erreichen eines Wiederholungsspiels in München. Für den Zweitligisten ein riesiger Erfolg gegen den mit Stars gespickten Tabellenführer der Bundesliga, für Thon die Geburtsstunde seiner Karriere. Und das, nachdem er am Vortag erst 18 Jahre alt geworden ist. Ein ungünstiger Zeitpunkt. Die Volljährigkeit soll richtig gefeiert werden – doch wie? Da es am Dienstag unter Trainer Diethelm Ferner ins Trainingslager geht, wird beschlossen, am Montag reinzufeiern. Thon lädt Familie, Freunde, Mitspieler und Manager Assauer in die Gaststätte Zum Krug im Gelsenkirchener Stadtteil Beckhausen ein, nur einen Katzensprung von seinem Elternhaus entfernt. Es geht hoch her in der besseren Imbissbude. 80 Leute sind gekommen, und es wird reichlich Bier gezapft. Die Party zur Volljährigkeit fällt nur für einen dezent aus: den Jubilar. In der heutigen Zeit wäre ein Profi für so eine Aktion vom Verein für ein paar Spiele suspendiert worden.
Das Halbfinale beginnt zunächst schlecht für Schalke und standesgemäß für Bayern. Durch Tore von Karl-Heinz Rummenigge und Reinhold Mathy führt der Favorit nach nur zwölf Minuten 2 : 0. Die ersten Schalker Fans verlassen schon das Stadion und marschieren zu den Parkplätzen. »Ich habe in dem Moment gehofft: Oh mein Gott, hoffentlich verlieren wir hier nicht mit 0 : 8«, erinnert sich Thon. Doch dann folgt das erste Schalker Aufbäumen: Thomas Kruse trifft zum 1 : 2 und Thon zum Ausgleich nach 19 Minuten. Mit einer Körpertäuschung versetzt er Bayern-Libero Klaus Augenthaler und zieht mit rechts ins kurze Eck ab, Torwart Jean-Marie Pfaff ist geschlagen. Mittlerweile sind die Fans wieder zurückgekehrt. »Meine Spieler haben den doch gar nicht ernst genommen, diesen kleinen Kerl, der da herumlief«, erzählt Bayerns damaliger Trainer Udo Lattek wenig später, »das meine ich nicht despektierlich, sondern als Kompliment. Weil er mit dieser Körpergröße so effektiv gespielt hat. Thon war schnell, schusskräftig, kopfballstark. Das war unglaublich.«
Michael Rummenigge erhöht für Bayern nach nur 20 Minuten auf 3 : 2. Halbzeit.
»Unser Parkstadion besaß damals ein Fassungsvermögen von etwas mehr als 70 000 Zuschauern, aber wir hatten so viele Nachfragen, so viele Ticketwünsche – enorm. Ich glaube, am Ende waren rund 78 000 Menschen im Stadion, was natürlich nicht genehmigt war. Das Spiel verlief so mitreißend, dass es auf den Tribünen drei Herzinfarkte gegeben hat und ein Schalke-Fan aus Hamm leider verstorben ist.«
Nach einer Stunde gelingt Olaf Thon schließlich per Kopf das 3 : 3. In der Folge beginnt ein legendärer Schlagabtausch. Schalkes Peter Stichler erhöht auf 4 : 3, die erstmalige Führung für den Zweitligisten, doch Michael Rummenigge gleicht wieder aus. Verlängerung.
»Es wogte hin und her, das war ein unglaubliches Spiel. Erst waren die Bayern vorne, dann wir, dann konnten die Bayern wieder ausgleichen – irre. Von der Dramaturgie her war diese Partie mit Abstand das beste Spiel, das ich je in meiner Laufbahn gesehen habe. Und dann dieser Thon! Das Kopfballtor zum 3 : 3 war Weltklasse, wie er da hochging und den Ball, wupp, reinköpfte. Keiner der Bayern-Verteidiger hat auf ihn geachtet, weil die dachten: Ach, was will denn der kleine Furz hier? Will der etwa ein Tor machen?«
In der Verlängerung scheint Schalkes Torwart Walter Junghans zunächst zur tragischen Figur zu werden. Auf dem feuchten, glitschigen Rasen lässt er in der 112. Minute den Ball aus den Händen gleiten, Bayern-Stürmer Dieter Hoeneß kann ihn über die Linie stochern – 4 : 5. Die Schalker Verantwortlichen sind bedient.
»Ich hab das gar nicht richtig mitgekriegt, weil ich unten auf der Ersatzbank schon wieder woanders hingeguckt hatte. Ich dachte mir: Okay, der Walter pflückt die Flanke runter, hat das Ding sicher. Und, oh Gott, oh Gott, auf einmal war der Ball im Tor.«
Doch drei Minuten später gleicht Bernard Dietz erneut aus – 5 : 5. Der Wahnsinn geht weiter. Mit einem Konter erzielt Dieter Hoeneß zwei Minuten vor Ende der Verlängerung dann das 6 : 5 für Bayern. Das muss es jetzt doch gewesen sein. Nun gehen
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