Wie Blueten Am Fluss
dem Schiffsinneren erregte augenblicklich die Aufmerksamkeit
des Matrosen. Ein sadistisches Funkeln trat in seine kleinen Augen. »Na, Donner und Doria! Ich
glaub', ich höre Myliedy kommen.« Leise vor sich hin kichernd, bewegte er seinen massigen Leib auf
den Niedergang zu und hockte sich hin, um nach unten in die Dunkelheit zu spähen. »Na, du irischer
Trampel? Immer noch blütenfrisch und ganz die alte, was da aus den unteren Gemächern zu uns
heraufsteigt?«
Shemaine O'Hearn blickte mit glühenden grünen Augen zu der
breiten Silhouette auf, die über der Öffnung thronte. Dafür, daß sie es gewagt hatte, sich gegen die
Bordhure zur Wehr zu setzen, hatte sie die letzten vier Tage mutterseelenallein in einem dunklen Loch
in den Tiefen des Vorschiffs zugebracht. Um jeden Brotkrumen, den man ihr hingeworfen hatte,
mußte sie erst mit den Ratten und Kakerlaken kämpfen. Wäre sie nicht so vollkommen am Ende ihrer
Kraft gewesen, hätte sie sich jetzt auf Händen und Füßen die Stufen hinaufgeschleppt und dem
Seemann mit ihren abgebrochenen Fingernägeln das häßliche Gesicht zerkratzt. Aber das einzige,
wozu ihre Energie noch reichte, war triefender Sarkasmus. »Welche andere arme Seele hätte diese
stinkende Kröte«, sie warf einen verächtlichen Blick neben sich, »denn heraufholen sollen, wenn nicht
mich? Sie haben doch sicherlich Mrs. Fitch überredet, dieses himmlische Quartier einzig und allein für mich zu reservieren.«
Potts seufzte übertrieben und kostete ihre hilflose Lage weiter aus: »Da haben wir's schon wieder,
Sh'maine. Immer mußt du meine Freunde beleidigen.«
Der vierschrötige kleine Mann, der neben Shemaine herhumpelte, streckte die Hand aus und kniff sie
zum zweiten Mal, seit er sie aus dem Kabelgatt befreit hatte, hinterhältig in den Arm. Er war genauso
niederträchtig wie Potts und ließ seinen Groll an jedem aus, der sich nicht wehren konnte. »Denk an
deine Manieren, du unverschämtes Weibsbild.«
»Das mache ich, Freddie«, stieß sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor, während sie sich mit
einem heftigen Ruck von seinen schmutzigen Fingern befreite, »und zwar genau an dem Tag, an dem
ihr alle hier welche annehmt.«
Potts' rauhe Stimme hallte den Niedergang hinunter. »Besser, du schwingst sofort deinen Hintern hier
rauf, Sh'maine, oder ich muß dir noch 'ne Lektion erteilen.«
Das Mädchen hatte nur ein abfälliges Lachen für dieses Scheusal übrig, dessen Stern rapide im Sinken
begriffen war. »Da hat Kapitän Fitch wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden, wenn er mich heute
verkaufen will.«
»Gewöhnlich hat der Käpt'n schon was zu sagen«, räumte Potts ein, während er mit hämischem
Grinsen zusah, welche Mühen es
sie kostete, sich mit den schweren Beineisen und Ketten die Stufen hinaufzuquälen. »Aber jeder hier
weiß, daß auf dieser Reise das letzte Wort seine Missus hat.«
Seit man sie in Fesseln auf das Schiff gezerrt hatte, war Shemaine zu der Überzeugung gekommen,
daß kein anderer Ort auf Erden größere Ähnlichkeit mit der Hölle hatte, als ein englisches
Sträflingsschiff auf dem Weg zu den Kolonien. Und gewiß hatte kein anderer Mensch so viel dazu
beigetragen, diesen Glauben zu fördern, wie Gertrude Turnbull Fitch, die Ehefrau des Kapitäns und
einziger Sprößling von J. Horace Turnbull, dem alleinigen Besitzer der London Pride und einer kleinen Flotte anderer Handelsschiffe.
Die Erinnerung an Gertrude Fitch war für Shemaine wahrlich Grund genug, auf der Hut zu sein, und
sie hielt nur kurz inne, um sich eine notdürftige Kopfbedeckung zurechtzuzupfen. Bei mehreren
Spaziergängen an Deck hatten ihre feurigroten Haare diese Xanthippe mit dem mürrischen Gesicht
derart erzürnt, daß sie die ganze irische Rasse als derbe, schwachsinnige Meute beschrieben und
Shemaine selbst als schmutzigen kleinen Irentrampel geschmäht hatte - ein Schimpfwort, mit dem
viele Engländer die Iren zu bedenken pflegten.
»Und daß du dich unterstehst, jetzt rumzutrödeln«, schnauzte Potts. Der gehässige Glanz in seinen
Augen legte ein deutliches Zeugnis für seine Neigung zu Grausamkeiten ab, während er begierig nach
irgendeiner kleinen Übertretung Ausschau hielt, die er zum Anlaß nehmen konnte, um zuzuschlagen.
»Ich komm ja schon! Ich komm ja schon!« murmelte Shemaine gereizt und kletterte aufs Deck.
Verbittert dachte sie an all die Ungerechtigkeiten, die sie während der dreimonatigen Seereise erlitten hatte. Die
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