Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
müsste immer alles richtig machen. Zur richtigen Schule gehen, die richtigen Noten kriegen, alle Regeln befolgen. Ich wollte, dass meine Mom … und meine Schwester … stolz auf mich waren.« Er wandte den Blick ab. Lange Zeit sagte er nichts mehr, und die Stille tat Grace im Herz weh. Hatte sie schon wieder was Falsches gesagt? Endlich räusperte Daddy sich. »Eigentlich wollte ich nur sagen, dass ich stolz auf dich bin, ganz gleich, was du machst. Ich liebe dich, so wie du bist, Gracie. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«
Sie wusste nicht, was das bedeuten sollte. Sie hasste die Kirche, bis auf die Bonbons, die man an großen Festen da bekam. Und sie wusste, dass der Rest nicht stimmte. Einmal hatte sie gehört, wie Daddy zu Grandpa sagte, sie hätte Ärger in der Schule. Verhaltensauffälligkeiten und keine Freunde waren die Wörter, die sie durch die Tür gehört hatte. Dann hatte ihr Daddy ein echt schlimmes Wort gesagt und Grandpa gefragt, wann sie je wieder einfach nur glücklich wären.
Er wollte , dass sie Freunde hatte. Das war wichtig für ihn. »Ich bin beliebt, Daddy. Ich krieg kaum mein Mittagessen auf, weil alle ständig auf mich einreden.«
Er beugte sich zu ihr und gab ihr noch einen Kuss auf die Wange. »Ist schon gut, Prinzessin«, sagte er seufzend. »Schon gut. Aber jetzt lass uns essen, bevor ich umkippe.«
»Ich hab den Hackbraten gemacht.« Grace lächelte ihn stolz an. Ihr Daddy lächelte traurig zurück, und das machte ihr solche Angst, dass sie hinzufügte: »Und die Kartoffeln.«
Er küsste sie noch einmal und stand auf. »Komm, Gracie, lass uns essen.«
Sie eilte hinter ihm her und bemühte sich, Schritt zu halten.
Wieder einmal wachte Jude zu früh auf. Durch die Jalousien drang noch kein Licht ins Schlafzimmer, doch sie spürte, wie die Morgendämmerung am Horizont aufzog wie eine Armee vor der Schlacht.
Sie spürte, wie Miles sich neben ihr im Schlaf bewegte. Er hatte sich zu ihr gedreht und sie in die Arme genommen. Sein Atem strich warm und sanft über ihren Nacken.
Sie rollte sich zu ihm und schmiegte sich an ihn, glitt mit ihrem nackten Bein zwischen seine. Langsam und verschlafen öffnete er die Augen und lächelte.
Er küsste sie, leicht zuerst, dann leidenschaftlicher. Seine Hände glitten unter ihr Seidennachthemd und tasteten nach dem Spitzensaum. Dann schob er es immer höher, bis sie nackt war. Er zog sich die Boxershorts aus und warf sie beiseite.
Sie folgte dem Drehbuch seines Verlangens, berührte ihn so, wie er es mochte, wölbte sich in seine Hand, bis sie ihn in sich spüren wollte. Als sie kam, explodierten tausend Gefühle tief in ihrem Inneren. Es war ihr peinlich, wie laut sie aufschrie, und als sie unter ihm zusammenbrach, zitterte sie am ganzen Körper.
Sie sprachen nie über ihre neu entdeckte Leidenschaft; sie wusste, dass er genau wie sie Angst hatte, es zu zerreden. So viele Jahre seit ihrem Verlust hatte es weder Sex gegeben noch Lachen oder auch nur Lächeln. Ihre Rückkehr hatte beide überrascht. Irgendwie hatten sie gelernt, über Berührung miteinander in Kontakt zu kommen, ihre Liebe zueinander fast ausschließlich ohne Worte zu kommunizieren. Das war zwar nicht ideal und reichte Miles auch nicht. Manchmal ertappte sie ihn dabei, wie er sie unendlich traurig ansah, doch mehr hatten sie im Moment nicht, und sie wusste, dass sie es schätzen sollte.
Sie küsste ihn sanft und zog sich zurück. Dann streifte sie sich ihr Nachthemd wieder über und stand auf. Am Fenster zog sie die Jalousien hoch und ließ das Licht herein. Links von sich sah sie den Garten, den sie aufgegeben hatte. Er war ein einziger Dschungel aus Blumen, Blättern und Ästen, unordentlich und ungepflegt. Hässlich.
Miles trat zu ihr und küsste sie auf die Schulter. »Bleibt es dabei, dass wir heute auf Grace aufpassen?«
Jude nickte. »Zach hat heute Vormittag Lerngruppe für die Abschlussprüfungen. Er wirkt gestresst.«
»Ich war auch im zweiten Jahr gestresst, und er ist dazu noch alleinerziehender Vater.« Miles drückte ihren Oberarm. »Warum holen wir Gracie nicht her? Dann kann Zach kommen, wenn er fertig ist. Wir könnten etwas spielen. Irgendwo müsste doch auch noch das CandyLand herumstehen, oder?«
Jude sah ihr Spiegelbild im Fenster: umrisshaft und verschwommen wie eine Tuschezeichnung. Beim Wort CandyLand wurde sie in die Vergangenheit zurückkatapultiert: Sie war wieder eine junge Mutter, hockte mit ihren Zwillingen auf dem Boden und griff
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