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Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Titel: Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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Daumenlutschen.
    »Grace?«, sagte Nana.
    Grace nahm den Daumen aus dem Mund. »Ich hab nicht Daumen gelutscht. Nur am Fingernagel geknabbert. Ist das auch schlimm?«
    Nana runzelte die Stirn. Grace spürte, wie ihr Herz schneller schlug und ihr komisch im Bauch wurde.
    Nana kam zu ihr. »Daumenlutschen ist nicht schlimm, Grace.«
    Ihre Stimme war sanft und süß wie Honig, und Grace spürte, wie sie anfing zu lächeln.
    »Ehrlich nicht?«
    »Vielleicht sollte ich es auch mal probieren.«
    Grace kicherte. »Ich fühl mich besser damit.«
    »Das ist weiß Gott was Gutes.«
    »Aber du hast doch gesagt, es gibt keinen Gott. Zu Daddy, als er zum Friedhof gehen wollte.«
    Nanas Lächeln schwand. »Ich mach jetzt Abendessen.«
    Sofort wusste Grace, dass sie schon wieder etwas Böses getan hatte. Am liebsten hätte sie wieder Daumen gelutscht, aber sie zog nur ihre Decke auf den Schoß und sah Nana beim Kochen zu. Eine Ewigkeit sagte keine von ihnen ein Wort. Immer wieder blickte Grace auf ihren Armbandspiegel und flüsterte Ariels Namen, aber ihre Freundin kam nicht.
    Die nächsten Stunden waren nur Grace und ihre Großmutter in diesem kleinen Haus und wechselten kaum ein Wort miteinander.
    Dann endlich kam Daddy. Grace hörte seinen Wagen, sah die Scheinwerfer durchs Fenster blitzen. Sie sprang vom Sofa und rannte zur Tür.
    »Daddy!«, schrie sie, als er ins Haus kam. Er ließ seinen großen Rucksack fallen und schloss sie in die Arme. Und damit war ihre Welt wieder in Ordnung.
    Er küsste sie auf die Wange. »Wie geht’s meiner Süßen?«
    »Gut, Daddy.«
    Er lächelte zwar, aber sie sah, dass er müde war. Seine Augenlider hingen irgendwie herunter, und er hatte schon wieder vergessen, sich zu kämmen.
    »Hey, Mom«, sagte er. »Das riecht aber gut.«
    Nana kam ins Zimmer. Sie wischte sich die Hände an einem Küchentuch ab, aber das war komisch, weil sie nie Schmutz oder Unordnung machte. »Hackbraten und Kartoffelauflauf. Der Salat steht im Kühlschrank.«
    »Das war doch nicht nötig«, erwiderte er und versuchte, Grace abzusetzen.
    Aber sie klammerte sich an ihn. »Ich hab dich lieb, Daddy«, sagte sie.
    »Ich hab dich auch lieb, Prinzessin.«
    Nana trat näher heran. Sie sah Daddy genau an und verzog ihr hübsches Gesicht. »Du schläfst nicht.«
    »Abschlussprüfungen«, erklärte er.
    Grace verstand das nicht. Natürlich schlief Daddy nicht. Er war doch gerade erst nach Hause gekommen. »Spielen wir heute Abend Rodeo, Daddy?« Das war ihr Lieblingsspiel. Sie durfte auf seinem Rücken reiten, während er sich aufbäumte.
    »Vielleicht sollte Grace heute bei uns übernachten«, schlug Nana vor.
    Grace klammerte sich fester an Daddy. »Ich werde dich nicht stören, Daddy, versprochen. Ich lass dich lernen.«
    »Danke, Mom«, sagte Daddy, »aber wir kommen schon klar.«
    Nana sah ihn durchdringend an und zuckte dann mit den Schultern. »Okay. Ich komme vor acht, um sie abzuholen. Geh nicht zu spät ins Bett.«
    Erleichterung überkam Grace, als Nana weg war. Ihre Großmutter machte ihr Angst, obwohl sie nicht wusste, warum. Es war, als würde man mit dem Lieblingsspielzeug eines anderen spielen und hätte ständig Angst, es aus Versehen kaputtzumachen.
    Als sie ihren Daddy ansah, fiel ihr wieder auf, wie müde er wirkte. Wenn er so still war, gefiel er ihr gar nicht. »Ich bin zur Königin der Vorschule gewählt worden«, berichtete sie in der Hoffnung, er wäre stolz auf sie.
    »Obwohl du Austin geboxt hast?«
    »Den kann doch keiner leiden, Daddy. Die waren alle froh darüber.«
    »Heißt die Tagesstätte Herr der Fliegen ?«
    »Was?«
    Er trug sie zum Sofa und setzte sich mit ihr. Sie schmiegte sich an ihn und drückte den Kopf an seine Brust. Das war ihr der liebste Platz auf der ganzen Welt. Nur dann fühlte sie sich wirklich sicher.
    »Warum bist du denn zur Königin gewählt worden?«
    Sie verzog das Gesicht, so angestrengt dachte sie nach. Dann fiel ihr Charlie und die Schokoladenfabrik ein. Charlie wurde der Gewinner, weil er der netteste Junge war. »Ich hab Brittany vorm Ertrinken gerettet. Sie ging zu tief ins Wasser, da hab ich sie gerettet.«
    »Du hast Brittany vorm Ertrinken gerettet«, wiederholte er und starrte sie an.
    Grace spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Wieso ploppten die Lügen einfach so aus ihrem Mund wie kleine Seifenblasen? Sie konnte nichts dagegen machen. Kein Wunder, dass niemand sie mochte.
    Daddy berührte ihre Wange. »Weißt du, Grace, als ich noch klein war, dachte ich, ich

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