Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
läuft’s mit dem klinischen Stoff?«, fragte Miles seinen Sohn, während er sich setzte.
»Ziemlich gut. Diagnose ist super, aber Pharmakokinetik bringt mich um«, antwortete Zach und schaufelte Rührei auf den Teller seiner Tochter.
Miles spießte mit der Gabel eine Waffel auf. »Bei mir war Pathologie im zweiten Jahr ein einziger Alptraum. Ich weiß nicht, warum. Man muss einfach mit angelerntem Wissen durch alles. Wirklich begreifen kann man es erst im dritten Jahr.«
Jude sah zu, wie ihr Sohn Grace’ Waffel butterte, während er mit seinem Vater sprach, wie er sie in kleine Stücke schnitt und ihr eine Serviette auf den Schoß legte. Plötzlich war sie so stolz auf ihn, dass sie dachte: Wir kommen schon klar. Eines Tages werden wir wieder lachen.
Sie ertappte sich dabei, dass sie bei der unerwarteten Vorstellung einer gemeinsamen glücklichen Zukunft lächelte. Sie hörte zu, wie Zach erzählte, dass er irgendeine schreckliche Krankheit vollkommen falsch diagnostiziert hatte, und lachte zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn darüber.
Nach dem Frühstück herrschte unerwartet heitere Stimmung. Als Jude Zach zur Uni schickte, gab sie ihm einen Kuss auf die Wange und drückte ihn so fest, dass er sie überrascht ansah.
»Ab mit dir. Wir werden uns heute prächtig amüsieren«, sagte sie.
»Danke, Mom«, erwiderte Zach.
» No problema «, antwortete sie, ohne nachzudenken, verstummte jedoch abrupt, als ihr einfiel, dass sie das früher immer gesagt hatten.
Zach nahm seinen Rucksack und ging zur Tür.
»Grandpa, kann ich zu meinem Spielhaus?«, fragte Grace, kaum dass ihr Dad aufgebrochen war.
»Zuerst anziehen und Zähne putzen«, erwiderte Miles abgelenkt. Er suchte nach der Fernbedienung. Als er sie gefunden hatte, erwachte der Fernseher zum Leben und zeigte ein Baseballspiel. Miles ließ sich auf ihr altes Sofa fallen und legte die Füße auf den Couchtisch.
Während Jude spülte, sah sie etwas Gelbes vorbeisausen. »Halt dich vom Wasser fern, Gracie.«
»Ich und Ariel spielen Barbie im Spielhaus«, erklärte Grace und öffnete ächzend die Schiebetür.
»Ariel und ich«, verbesserte Jude automatisch. »Miles, gelten die normalen Sprachregeln auch für eingebildete Freunde?«
»Wie?«, fragte er. »Was hast du gesagt, Schatz?«
Jude ging wieder zur Spüle. Sie hörte, wie die Glastür zugeschoben wurde, und blickte nach links.
Draußen rannte Grace durch den Garten zu ihrem Prinzessinnenschloss, das der Weihnachtsmann ihr im letzten Jahr gebracht hatte. Es stand direkt hinter der Terrasse, auf einem Rasenstück mit Aussicht auf den grauen Sandstrand.
»Komm schon, beeil dich«, rief Grace ihrer eingebildeten Freundin zu.
Jude trocknete das Geschirr ab und stellte es in den Schrank. Als sie fertig war, blickte sie wieder aus dem Fenster. Sie konnte Grace durch das offene Plastikfenster des Schlosses sehen. Sie redete mit sich selbst, während sie eine Barbie tanzen ließ.
»Gehst du ins verzauberte Königreich?«, fragte Jude Miles.
»Gleich. Ich wollte nur noch das Spiel sehen.«
»Ist gut. Ich bereite Hühnchenauflauf zum Abendessen vor«, beschloss Jude spontan. Zach sollte nicht hungern, wenn er vom Lernen nach Hause kam.
Fast automatisch bereitete sie alles nach dem alten Familienrezept vor. Alle paar Minuten sah sie nach Grace, um sich zu vergewissern, dass es ihr gutging, dann widmete sie sich wieder ihrer Arbeit.
Als der Auflauf mit einem Hinweis, wie er zu kochen war, im Kühlschrank stand, räumte sie die Küche wieder auf und ging ins Wohnzimmer. Gerade wollte sie etwas zu Miles sagen, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm.
Sie schob die Glastür auf und trat hinaus auf die verwitterte Terrasse. Es war ein schöner Frühsommertag mit wolkenlosem, leuchtend blauem Himmel. Auf der rechten Seite wurde das Grundstück von einer Reihe dichter Nadelbäume vom Nachbargrundstück abgeschirmt.
Grace stand bei den Bäumen.
Neben ihr aber stand ein Mädchen mit blauem T-Shirt und ausgeblichenen Shorts. War das Mildreds Tochter von nebenan? War sie aus dem College gekommen?
Dann drehte das Mädchen sich um, so dass Jude ihr Gesicht sehen konnte.
Sie griff nach der Schiebetür, um sich festzuhalten, und wollte schon ihren Mann rufen, als der Schmerz in ihrer Brust explodierte. Es tat so weh, dass sie nichts mehr denken, sich nicht mehr bewegen konnte. Sie konnte nur noch die Hand auf ihr Herz drücken, dann sank sie in die Knie.
Lexi fuhr zum LaRiviere Beach Park.
Als
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