Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
das Röhrchen ab, öffnete es und gab ihr eine Tablette, die sie mit seinem Kaffee herunterspülte. »Mach mir bitte einen Termin bei Dr. Bloom!«
Die nächsten zwei Stunden überstand sie in medikamentöser Benommenheit. Sie wusch und fönte sich die Haare und zog sich ein helles leichtes Sommerkleid an. Erst als sie bei Dr. Bloom saß und sich unter ihrem scharfen Blick wand, bekam sie mit, dass sie noch Pantoffeln anhatte. »Danke, dass Sie sich für mich Zeit nehmen konnten«, erklärte Jude und versuchte, ihre Füße unter dem Sessel zu verbergen.
»Eine Panikattacke. Sie hatten keine seit über anderthalb Jahren. Was ist passiert?«
Sie konnte Harriet nicht in die Augen sehen. Ihr Blick war so durchdringend, dass sie sich ganz schwach und wahnhaft fühlte. Also blickte sie nach links. »Ich war Samstagmorgen bei Zach und habe für alle Frühstück gemacht. Zach bereitet sich auf seine Abschlussprüfung vor. Die Uni dauert dieses Jahr länger, weil die verdammten Tage, die wegen Schnee ausfielen, nachgeholt werden.«
»Und?«, hakte Harriet nach.
»Da sah ich Gracie draußen … sie sprach mit … Lexi.«
»Lexi ist das Mädchen, das in jener Nacht den Wagen fuhr.«
»Ja.«
»Über sie haben wir kaum gesprochen. Ich glaube, Sie sagten sogar, wenn ich sie noch einmal erwähnte, würden Sie nicht wiederkommen.«
»Aus den Augen, aus dem Sinn«, antwortete Jude mechanisch und tappte mit dem Fuß.
»Nach all den Jahren sahen Sie sie also wieder und bekamen eine Panikattacke.«
»Sie hat mit Gracie geredet!«
»Mit ihrer Tochter«, erwiderte Dr. Bloom.
Jude sprang auf und fing an, im Zimmer umherzuwandern. Das Atmen fiel ihr schwer. »Dieses Recht hat sie verwirkt, als sie ins Gefängnis ging. Sie hat die Papiere unterschrieben.«
»Meinen Sie, damit hätte sie ihr Recht verwirkt, Mutter zu sein? Als sie ins Gefängnis ging? Oder als sie Ihre Tochter tötete?«
»Beides«, sagte Jude schwer atmend. Ihre Brust schmerzte. »Wo ist da der Unterschied? Sie kann nicht einfach zurückkommen und so tun, als wäre nichts geschehen! Zachs Leben verläuft endlich wieder in geordneten Bahnen. Ich lasse nicht zu, dass er sie wiedersieht.«
»Setzen Sie sich, Jude«, bat Dr. Bloom ruhig.
»Was ist, wenn sie … was ist … o Gott!« Jude holte schluckend Luft und geriet in Panik. Sofort war Dr. Bloom bei ihr und rieb ihr beruhigend über den Rücken.
»Ist schon gut, Jude. Atmen Sie, nur atmen. Hier, setzen Sie sich.«
Langsam bekam Jude ihre Atmung unter Kontrolle, und der Schmerz in der Brust schwand. Mit zittriger Hand strich sie sich das schweißnasse Haar aus der Stirn und versuchte zu lächeln. »Ich breche zusammen.«
»Wäre das so schlimm?«
Jude riss sich von der Therapeutin los. »Sind Sie wirklich Ärztin?«
»Jude, Sie können diese Situation nicht kontrollieren.«
»Vielen Dank für Ihre aufmunternden Worte.« Sehnsüchtig blickte sie zur Tür. Das hier half ihr gar nicht. »Ich hätte Schlaftabletten schlucken sollen, als …« Sie konnte es nicht laut aussprechen. Sie hatte die Worte nie herausbringen können.
»Sie haben daran gedacht«, erinnerte Dr. Bloom sie. »Aber noch im tiefsten Elend hatten Sie Hoffnung.«
»Meinen Sie, Hoffnung hätte mich davon abgehalten?«
»Was denn sonst?«
Darauf würde sie nicht antworten. Außerdem war ihr die Antwort zuwider. »Ich hab mir Sorgen um Zach gemacht, verdammt noch mal! Er ist genauso gefährdet wie ich. Er ist nie über seine Schuld … und seine Trauer hinweggekommen. Wenn er Lexi jetzt wiedersieht … und was ist, wenn sie jetzt doch Grace’ Mutter sein will? Ich würde sie nie mehr in unserer Familie dulden. O Gott …«
»Aber sie gehört schon zu Ihrer Familie«, sagte Harriet.
»Halten Sie den Mund!«
»Ausgezeichnete Antwort! Übrigens klingen Sie nicht wie eine Frau, die nichts für ihre Enkelin empfindet.«
Jude schnappte sich ihre Handtasche. »Ich brauche keinen Seelenklempner, sondern einen Anwalt.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Ich muss Grace und Zach schützen. Vielleicht müssen wir eine richterliche Verfügung erwirken, dass sie sich fernhalten …«
»Sie glauben, Lexi fernzuhalten, wird sie schützen?«
»Selbstverständlich. Haben Sie mir eigentlich je zugehört?«
»Lexi ist die Mutter Ihrer Enkelin«, sagte Dr. Bloom sanft. »Sie sagten mal, früher sei Ihnen die Mutterschaft heilig gewesen.«
Jude taumelte zurück. »Ich muss hier raus.« Ohne auf eine Antwort zu warten, ging sie zur Tür. Als sie sie
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