Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
Mutter , Lexi. Die Behörden wissen, wie wichtig Sie für Grace sind. Außerdem dürfen Sie in meinem Büro übernachten, bis Sie etwas anderes finden.«
Sie sind Ihre Mutter.
Jahrelang hatte Lexi diesen Gedanken aus ihrem Bewusstsein verbannt, schon vor Gracies Geburt. Es war einfach zu schmerzhaft, daran zu denken, aber als sie ihn jetzt laut ausgesprochen hörte, spürte sie, wie eine süße Sehnsucht in ihr erwachte.
Sie konnte Gracie in den Arm nehmen, sie an sich drücken und küssen, sie konnte mit ihr in den Park gehen …
»Leicht wird es nicht«, unterbrach Scot ihr Schweigen. »Ich kann mir denken, dass die Farradays gegen Sie kämpfen werden.«
Aber es war zu spät, sich darüber Gedanken zu machen. Sie hatte die Idee, Mutter zu sein, zugelassen, und jetzt spürte sie, wie eine ungeheure Energie in ihr freigesetzt wurde. »Stellen wir den Antrag«, war Lexi einverstanden.
»Sind Sie sicher?«
Da endlich drehte sie sich zu ihm um. »Ich bin sicher.«
Gegen vier Uhr morgens gab Jude jeden Versuch zu schlafen auf. Sie verließ ihr warmes Schlafzimmer und ging ins dunkle Wohnzimmer. Dort stellte sie sich an das große schwarze Panoramafenster und starrte auf ihr verschwommenes Spiegelbild.
Sie wusste, was die Ärzte ihr einreden wollten: dass die Panik die Halluzination ausgelöst hatte und nicht umgekehrt.
Sie wollte es ja auch glauben.
Aber sie glaubte es einfach nicht. Irgendwann in der Nacht war sie zu der Überzeugung gekommen, dass es umgekehrt war. Daher sagte sie zu Miles, als er Stunden später auf der Suche nach Kaffee Richtung Küche schlurfte: »Ich hab sie gesehen. Ich habe Lexi gesehen.«
Miles wirkte verwirrt. »Moment.« Er ging an ihr vorbei in die Küche und kam mit einem Becher Kaffee zurück. »Du kriegst keinen, weil du so schon zu aufgedreht wirkst. So, jetzt sag es noch mal.«
»Ich habe sie gesehen. Ich habe mich nicht geirrt.« Nervös mit dem Fuß tappend, starrte sie ihn an.
»Ich wollte mich ja immer erkundigen, wo sie ist.«
Sie nickte knapp. »Ich weiß. Aber ich nicht. Aus den Augen, aus dem Sinn.«
»Ja, klar. So funktioniert das.« Er stand, nackt bis auf seine blauen Boxershorts, vor dem Fenster und starrte hinaus. »Okay«, sagte er schließlich und gab ihr seinen Kaffee. »Finden wir’s raus.«
Er ging zu seinem Laptop, suchte eine Telefonnummer heraus und wählte sie.
»Hey, Bill, tut mir leid, wenn ich so früh anrufe, aber wir haben eine dringende Frage. Könnten Sie herausfinden, wann Alexa Baill entlassen wurde? Ja, ich weiß, wir wollten es ursprünglich nicht wissen. Aber die Situation hat sich verändert. Ja. Danke. Ich bin hier.«
Er legte auf und nahm seinen Kaffee zurück. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er und berührte sacht ihr Haar.
»Mir ging’s schon mal besser.«
Dann standen sie zusammen da, schauten wortlos in den Garten hinaus und sahen zu, wie der Himmel hell und blau wurde. Die Zeit verstrich so langsam und stetig wie ihr Herzschlag. Als das Telefon klingelte, erschrak Jude und stieß einen leisen Schrei aus.
Miles nahm ab. »Hallo?«
Jude tappte wieder mit dem Fuß auf, verschränkte die Arme vor der Brust und bohrte ihre Finger so fest hinein, dass sie weiß wurden.
»Ach, tatsächlich?«, sagte Miles stirnrunzelnd. »Wieso das? Ach. Okay, dann danke. Und noch mal: Entschuldigen Sie, dass wir so früh gestört haben.« Er legte auf.
»Und?«, fragte Jude und wünschte, sie hätte eine Beruhigungstablette genommen.
»Sie wurde vor zwei Tagen entlassen, weil sie wegen schlechter Führung eine zusätzliche Haftstrafe bekommen hat.«
Jetzt tappte Jude so schnell mit dem Fuß, als wollte sie tanzen. »Und dann ist sie schnurstracks hierhergekommen.«
»Das weißt du doch gar nicht.«
»Wir müssen etwas unternehmen. Eine einstweilige Verfügung erwirken oder so. Vielleicht sollten wir umziehen.«
»Wir werden nicht umziehen.« Miles packte sie bei den Schultern und zwang sie, ihn anzusehen. »Beruhige dich, Jude.«
»Bist du wahnsinnig ?« Jude spürte, dass sie gleich anfangen würde, hysterisch zu lachen. Sie wusste, dass es nichts zu lachen gab, aber ihre Gefühle spielten seit einiger Zeit verrückt. Manchmal weinte sie, wenn sie glücklich war, und manchmal lachte sie, wenn sie Angst hatte, und schrie, wenn sie müde war. Sie entwand sich seinem Griff und rannte ins Schlafzimmer, wo sie unbeholfen versuchte, das Röhrchen mit den Beruhigungstabletten zu öffnen. »Verdammte Kindersicherung!«
Miles nahm ihr
Weitere Kostenlose Bücher