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Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Titel: Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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hatte Jude erlebt, dass jemand nichts mehr über Mia hören wollte. Wie sollte sie aufhören, über ihre Tochter zu sprechen? Aber schon wenn sie ihren Namen nannte, konnte es passieren, dass jemand das Weite suchte.
    »Erzähl’s mir«, bat Molly und nahm ihre Hand.
    »Danke«, sagte Jude. »Niemand will mehr etwas über sie hören.«
    »Ich höre zu, was auch immer du mir sagen willst.«
    Jude drehte sich zu ihr. »Sie hat sich immer angeschnallt.« Sie holte zittrig Luft und langte nach den Taschentüchern im Nachttischchen.
    Ein Fehler, wie sie sofort erkannte.
    In der Schublade entdeckte sie neben der Lesebrille eine kleine Schmuckschatulle aus blauem Samt. Obwohl sie wusste, dass sie es bereuen würde, nahm sie sie heraus und öffnete sie.
    »Was ist das?«, fragte Molly.
    »Mias Geschenk zum Schulabschluss.«
    Molly schwieg einen Moment. »Er ist wunderschön.«
    »Den Stein wollte ich mit ihr gemeinsam aussuchen. Nur wir zwei. Danach vielleicht zum Friseur oder zur Maniküre.« Da verlor Jude die Fassung und fing wieder an zu weinen.
    »Oh, Jude.« Molly nahm sie erneut in die Arme.
    Jude hätte sich geborgen fühlen müssen, aber in Wahrheit empfand sie gar nichts. Nichts, als sie auf den schönen unvollendeten Ring mit der großen, leeren Fassung starrte …

F ÜNFZEHN
    An diesem sonnigen Samstagnachmittag war der Parkplatz der Highschool zugeparkt.
    Lexi saß auf dem Beifahrersitz im Wagen ihrer Tante und beobachtete durch die schmierige Windschutzscheibe, wie sich alle am Fahnenmast versammelten.
    »Du gehörst zu ihnen, Alexa«, erklärte Eva. »Du hast genauso hart für diesen Tag gearbeitet wie alle anderen.«
    »Ich habe Angst«, erwiderte Lexi leise.
    »Ich weiß«, sagte ihre Tante. »Deshalb bin ich ja hier.«
    Lexi holte tief Luft und drückte den Türgriff. Die Tür des alten Wagens sprang quietschend auf.
    Dann gingen Eva und sie durch die Menge der aufgeregt schnatternden Eltern und Freunde, die die Abschlussklasse des Jahres 2004 sehen wollten. Lexi hielt den Kopf gesenkt und achtete darauf, nicht zu den Reportern am Fahnenmast zu blicken. Als sie an ihnen vorbeiging, hörte sie einen von ihnen sagen: »Zweihundertzweiundsiebzig Absolventen, Phil. Eigentlich hätten es zweihundertdreiundsiebzig sein sollen.«
    Am Rand des Footballfeldes blieb Lexi stehen.
    »Beeil dich besser«, sagte Eva. »Wir sind spät dran.«
    Lexi nickte, doch als sie zu den Klappstühlen blickte, die auf dem grünen Spielfeld aufgereiht waren, wurde ihr flau im Magen.
    »Ich bin stolz auf dich, Alexa«, fügte ihre Tante hinzu. »Du bist ein anständiges Mädchen. Und wage es nicht, etwas anderes zu denken.«
    Eva lächelte sie noch einmal strahlend an und mischte sich dann unter die Menge der stolzen Eltern, die die Tribüne hinaufströmte.
    Lexi entdeckte dort auch die Farradays. Jude und Miles saßen in der zweiten Reihe, zusammen mit Molly, Tim und Zachs Großmutter Caroline. Selbst aus der Ferne konnte Lexi sehen, wie blass und dünn Jude war. Durch ihre schwarze Sonnenbrille wurde noch betont, wie fahl ihre Haut war und wie scharf ihre Wangenknochen hervorstachen. Ihre Lippen waren ungeschminkt, und sie trug Mias pinkfarbene Handtasche.
    In dem Moment wusste Lexi, dass sie es nicht schaffen würde. Sie konnte einfach nicht durch die Menge in die Turnhalle gehen, wo all ihre Freunde mit Talar und Barett darauf warteten, stolz zu den Sitzen auf dem Footballfeld zu schreiten. Sie konnte Zach auch nicht sehen, nicht an diesem Tag, wo Mias Abwesenheit so schmerzlich zu spüren war.
    Sie zog Barett und Talar aus und stopfte beides in ihre große Patchworktasche. Gerade wollte sie gehen, als die Klasse von 2004 aufs Feld kam, ein Strom aus königsblauen und dottergelben Talaren, der sich gegen den wolkenlosen Himmel abhob.
    Sie versteckte sich in einem der leeren Gänge unter der Tribüne. Auf dem Feld strebten ihre Mitschüler zu ihren Plätzen.
    Zach ging allein. Mit seiner Sonnenbrille (die wahrscheinlich seine verletzten Augen vor dem hellen Sonnenlicht schützen sollte), dem rasierten Schädel und der Verbrennung im Gesicht war er kaum zu erkennen. Wie Jude wirkte er ausgezehrt, und er lächelte nicht.
    Als der letzte Abschlussschüler Platz genommen hatte, fingen die Zuschauer an zu klatschen.
    Unter dem Applaus betrat Direktor Yates das Podium. Er begann eine eindrucksvolle Rede über das Leben auf Pine Island und eine Gemeinschaft, die durch das Inseldasein nur noch gestärkt wurde. Am Ende seiner Ansprache

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