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Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Titel: Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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mittlerweile vertraut war.
    »Weil das Leben weitergeht«, erwiderte Jude. »Ja, ja, ich weiß.«
    » So jedenfalls kann es nicht weitergehen«, beharrte er und hob die Stimme.
    Seine Lautstärke erschreckte sie. »Spar dir die Chirurgenstimme für deine Mitarbeiter auf.«
    »Du lässt einfach zu, wie es dich zugrunde richtet. Wie es uns zugrunde richtet.«
    »Es?« Endlich wandte sie sich ihm zu. »Der Tod unserer Tochter. Du findest mein Verhalten also übertrieben ? Wie unangenehm für dich.«
    Miles biss die Zähne zusammen. »Das reicht. Du stellst mich hier nicht als miesen Typen hin, der nur deshalb seinen Sohn und seine Frau noch lieben kann, weil er seine Tochter nicht genug geliebt hat. Du brauchst Hilfe. Du brauchst einen Neuanfang.«
    »Einen Neuanfang? Soll ich etwa anfangen, sie zu vergessen?«
    »Du musst sie loslassen. Es ist nicht gesund, sich so an sie zu klammern. Zach braucht dich. Und ich brauche dich auch.«
    »Aha, darum geht’s, nur darum. Dir fehlt deine Frau, also reiß ich mich besser mal zusammen.«
    »Verdammt, Jude, du weißt genau, dass ich das nicht meine. Ich habe Angst, dass wir uns verlieren.«
    Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass er recht hatte, und das gab ihr einen Stich. Sie verspürte ganz unerwartet den Drang, es zu erklären, sich ihm verständlich zu machen. »Ich bin gestern Abend einkaufen gegangen. Um Mitternacht. Weil ich dachte, dann wäre niemand da. So war es auch. Ich schlenderte durch die Gänge und sah mir die Regale an. Als ich schließlich an der Kasse landete, hatte ich vier Tomaten und zehn Schachteln Lucky Charms im Einkaufswagen. Die Kassiererin sagte: ›Wow, Sie müssen aber viele Kinder haben.‹ Ich starrte sie an und fragte mich: Wie viele Kinder habe ich eigentlich? Eins? Zwei? Nur noch eins? Da rannte ich, ohne zu zahlen, weg. Du hast recht. Ich brauche Hilfe. Aber du könntest mir doch ein bisschen helfen und dann einfach etwas Abstand halten.«
    »Ich weiß nicht, wie ich Abstand halten soll, weil ich eine Todesangst habe, dass du eines Tages all deine Taschen mit schweren Steinen belädst und dann ins Wasser gehst. Wie in dem blöden Film, den wir mal gesehen haben.«
    »Ich wünschte, das könnte ich.«
    »Siehst du? Siehst du?« Er stand auf. »So, Jude: Du willst meine Hilfe? Dann werde ich dir helfen. Ich sorge dafür, dass wir neu anfangen können.« Er ging zur Schiebetür und verschwand im Haus.
    Sie seufzte erleichtert und ließ sich wieder in ihren Liegestuhl sinken. In letzter Zeit endeten all ihre Gespräche so. Miles stürmte davon oder versuchte, sie mit einer Umarmung zu trösten. Aber weder das eine noch das andere berührte sie.
    Sie starrte auf Mias Ring und sah, wie sich die Sonne in der leeren Fassung spiegelte.
    Dann durchfuhr sie die Erkenntnis wie ein Blitz.
    Sie wusste, wie Miles ihr helfen wollte. Davon hatte er schon oft gesprochen. Du kannst es nicht ständig aufschieben. Als wäre Trauer einem festen Zeitplan unterworfen.
    Mit einem Schrei sprang sie auf und rannte ins Haus, die Treppe hinauf. Die Tür zu Mias Zimmer stand offen.
    Taumelnd blieb Jude stehen und blickte wie erstarrt ins Zimmer. Seit jener schrecklichen Nacht hatte sie diesen Türknauf nicht mehr berührt. Die Tür war stets geschlossen geblieben, weil der Anblick des pinkfarbenen Zimmers zu viel für sie war.
    Aber jetzt war Miles dort und fing wahrscheinlich an, ihre Sachen zusammenzupacken.
    Um sie anderen Kindern zu geben. Bedürftigen Kindern. Mia hätte das gewollt.
    Sie schrie seinen Namen und rannte ins Zimmer, bereit, ihn anzubrüllen, ihn zu packen und zurückzureißen.
    Er kniete mit gesenktem Kopf auf dem weizenfarbenen Teppich und umklammerte das weiche rosafarbene Plüschtier, das einst Mias bester Freund gewesen war – nach ihrem Bruder. »Daisy Doggy«, sagte er mit erstickter Stimme.
    Mit erstaunlicher Klarheit wurde Jude bewusst, wie sehr sie diesen Mann liebte und brauchte. Sie überlegte, was sie zu ihm sagen sollte, doch bevor sie etwas äußern konnte, erschien Zach neben ihr.
    »Was ist denn …«, setzte er an, doch dann sah er, wie sein Dad weinend das Stofftier umklammerte, und trat zurück.
    »Zach«, sagte Miles und wischte sich über die Augen, doch Zach war bereits verschwunden. Unmittelbar darauf knallte am Ende des Flurs eine Tür.
    »Wir verlieren ihn auch«, flüsterte Miles. Langsam, so als funktionierte sein Arm nicht mehr richtig, legte er das Stofftier zu Boden.
    Jude hörte die Kritik, die sich wieder in seine

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