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Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Titel: Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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Mensch vor ihr. Wir sind eine Familie , hatte sie damals, vor einer Ewigkeit, gesagt, als sie sich zum ersten Mal sahen. Und es war wahr geworden.
    Jetzt war Lexi an der Reihe, etwas für Eva zu tun. Wenn sie ihre Tante nicht freigab, würde sie hierbleiben, gefesselt an diesen schrecklichen Ort, gezwungen zu endlosen quälenden Besuchen. »Du solltest nach Florida gehen«, sagte sie leise.
    Eva verstummte. Hatte sie überhaupt etwas gesagt? »Was soll das heißen? Ich kann dich doch nicht allein lassen.«
    Lexi beugte sich vor und ergriff Evas Hand. »Ich werde hier über fünf Jahre eingesperrt sein. Und ich weiß doch, wie gerne du zu Barbara ziehen würdest – der ständige Regen macht deine Knie kaputt. Du verdienst etwas Glück, Eva. Im Ernst.«
    »Sag das doch nicht, Lexi.«
    Lexi schluckte hart. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie musste Eva zwingen, sie loszulassen. »Ich will dich nicht wiedersehen, Eva. Es tut dir nicht gut hierherzukommen.«
    »Ach, Alexa …«
    In diesem Seufzer lag alles: das Bedauern, die Enttäuschung, der Verlust – und es schmerzte, am meisten schmerzte es, dass sie den einzigen Menschen von sich stieß, der sie liebte. Doch es war nur zu Evas Besten.
    Und sollte Liebe nicht so sein?
    »Wenn ich entlassen werde, komme ich nach Florida«, versprach sie.
    »Das lasse ich nicht zu«, widersprach Eva, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Nein, ich lasse das nicht mehr zu«, erwiderte Lexi. »Erlaube mir das, Eva. Bitte. Lass mich das für dich tun. Es ist das Einzige, was ich noch tun kann.«
    Eine ganze Weile saß Eva nur da. Schließlich wischte sie sich über die Augen und sagte: »Ich schreibe dir jede Woche.«
    Lexi konnte nur nicken.
    »Und schicke dir Fotos.«
    Sie sprachen weiter und versuchten, alles Notwendige zu sagen, einen Vorrat an Worten anzulegen, an denen sie sich später wärmen konnten. Aber irgendwann war die Besuchszeit vorbei, und Eva stand auf. Jetzt wirkte sie noch älter und müder. Aber Lexi wusste, dass sie das Richtige getan hatte.
    »Leb wohl, Alexa«, sagte Eva.
    Lexi stand da und nickte. »Danke, für …« Ihr brach die Stimme.
    Eva zog sie in die Arme und drückte sie fest an sich. »Ich hab dich lieb, Alexa.«
    Zitternd löste sich Lexi von ihr. »Ich hab dich auch lieb, Eva.«
    In Evas Augen schimmerten Tränen, als sie sagte: »Vergiss nie: Ich kannte deine Mama. Du bist nicht wie sie , hörst du? Und lass nicht zu, dass dieser Ort das ändert.«
    Damit ging sie.
    Lexi stand dort, bis sie ihre Tante nicht mehr sehen konnte. Dann verließ sie den Besucherraum und kehrte in ihre Zelle zurück. Doch sie war erst vierzig Minuten dort, als eine Wärterin in ihrer offenen Tür erschien.
    »Baill. Packen Sie Ihre Sachen.«
    Lexi sammelte ihre Habseligkeiten zusammen – Toilettenartikel, Briefe, Fotos – und packte sie in einen alten Schuhkarton, dann folgte sie der Wärterin auf den Hauptgang.
    Überall um sie herum stampften Frauen mit den Füßen und riefen ihr nach. Der Lärm in dem Stahlbetonbau war ohrenbetäubend. Lexi hielt den Blick gesenkt und den Schuhkarton an die Brust gedrückt.
    Plötzlich blieb die Wärterin stehen.
    Vor ihnen summte eine Zellentür laut, dann sprang sie mit einem Klicken auf.
    Die Wärterin trat beiseite. »Hier rein, Baill. Das ist von jetzt an Ihre Zelle.«
    Lexi umrundete die kräftige Beamtin und spähte in die Zelle, die für die nächsten dreiundsechzig Monate ihr Zuhause sein sollte.
    Die Wände waren mit Fotos, Zeichnungen und Bildern aus Zeitschriften übersät. Auf der unteren Pritsche saß, leicht zusammengesackt, eine massige Farbige. Ihre dicken Arme waren über und über tätowiert und ihre ergrauten Haare zu langen Rastalocken frisiert. Etliche Muttermale sprenkelten ihre Wangen, und um den Hals schlängelte sich eine weitere Tätowierung.
    Dröhnend fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. »Ich bin Lexi«, sagte sie. Dann räusperte sie sich, um Mut zu fassen, und fügte hinzu: »Baill.«
    »Tamica«, antwortete die Frau mit überraschend angenehmer Stimme. »Hernandez.«
    »Ah.«
    »Ich hab Kinder in deinem Alter«, fuhr Tamica fort und hievte ihren massigen Körper von der schmalen Pritsche. Es war kein Quietschen der Sprungfedern zu hören, da sie nur aus Beton und Stahl bestand. Tamica ging zu einem alten, verblichenen Foto an der Betonwand. »Rosie. Mit ihr war ich schwanger, als ich hier reinkam. Wusste es aber nich.« Sie kniete sich neben die Toilette und drehte sich eine Zigarette. Dann

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