Wie Champagner in den Adern
tatsächlich eine Öffnung zur Festung hat, weiß ich nicht. Wäre das nicht zu riskant?"
„Das denke ich auch. Aber meinst du nicht, das hängt von der Zeit ab, in der er angelegt wurde?"
Sie erkannte sofort, was er meinte. „Ja, natürlich ... ob sie von der Tunnelöffnung wussten, als sie die Festung bauten oder ob er schon verschüttet gewesen war. In dem Fall wäre es reiner Zufall, dass sie diesen Ort für die Festung gewählt haben. Andererseits ..."
„In welche Zeit gehört deiner Ansicht nach der Bau?"
Sie hatte zwar die Wände eingehend betrachtet, aber ohne die gesamte Anlage gesehen zu haben, ließ sich das schwer sagen.
„Du hast gesagt, der Tunnel werde Königin Halimah zugeschrieben", entgegnete Zara.
Rafi nickte. „Viele alte Gebäude werden ihr zugeschrieben. Nicht alle müssen aus ihrer Zeit stammen.
Oft, wenn die Menschen auf so manche vergessene Brücke oder manches verlassene Haus stießen, haben sie geglaubt, es sei ihr Werk, weil sie für öffentliche Bauten gesorgt hat. Das muss nicht stimmen."
„Also könnte der Tunnel aus einer anderen Periode stammen?"
„Wir wissen nichts über den Tunnel, nur das, was du zu be richten weißt. Erwähnt wurde er mal von einem Schriftsteller im siebzehnten Jahrhundert. Aber da war er schon alt und wurde nicht mehr benutzt."
„Und was ist mit der Festung?"
Er zuckte mit den Achseln. „Archäologie gehört nicht zu meinen Fächern. Ich habe Politik und Staatswissenschaft an der Sorbonne studiert. Nicht besonders nützlich für einen Beruf."
„Du warst auf der Sorbonne?", fragte Zara überrascht. „Wann denn?"
„Ja, vor dem Zwischendiplom."
„Ich war auch ein Jahr auf der Sorbonne. Wann warst du denn da?"
Natürlich hatten sie sich verpasst, aber plötzlich erschien ihr Prinz Rafi nicht mehr ganz so fremd. Sie hatte geglaubt, er habe vollkommen zurückgezogen in seiner eigenen Kultur gelebt, ohne Kenntnis über ihre Welt...
„Dann sprichst du auch Französisch, oder?"
„Ja, warum überrascht dich das?"
„Oh, es ist nur ... ich wünschte, ich könnte Arabisch. Aber mehr als fünf Worte beherrsche ich nicht."
„,Salaam aleikum' hast du ah dem Morgen im Wadi sehr schön gesagt. Den Rest wirst du noch lernen", erklärte Rafi. „Du wirst Privatunterricht bekommen, und wir werden nicht immer Englisch miteinander sprechen."
Zara nagte an ihrer Unterlippe. „Rafi, du sagst das alles, als hätte ich ..." Sie brach ab.
„Als hättest du?", hakte er nach.
„Nun, als hätte ich schon zugestimmt, dich ..."
„Mich zu heiraten? Natürlich rede ich so, Geliebte. Aber ich werde dich nicht bedrängen, solange du hier bist. Ich weiß, du kannst mir jetzt noch keine Antwort geben. Aber sobald alles vorbei ist, du die Luft der Freiheit atmest, wirst du mich besuchen kommen. Dann werde ich alles tun, um dich zu überzeugen. Du wirst es sehen."
Sie vermochte ihm nicht zu widersprechen. Im Moment fühlte sie sich zu verwirrt und konnte sich kaum vorstellen, in die Freiheit zurückzukehren. Nach nur wenigen Tagen Gefangenschaft schien ihre Welt nur noch aus diesen vier Mauerwänden zu bestehen.
Sie unterhielten sich noch ein wenig über ihre Kindheit. Rafi wollte sehr viele Einzelheiten wissen. So manches wurde ihr jetzt erst zu ihrer eigenen Überraschung bewusst. Schließlich, als sie müde war, verließ er sie. Das letzte, woran sie sich erinnerte, war ein Kuss auf die Stirn, und dann träumte sie, das sie sich in ihn verliebt hatte.
Am nächsten Tag brachte der „Geist" Zara eine Feile. Begeistert, dankbar und den Tränen nahe machte sie sich sofort an die Arbeit und setzte die Feile an dem schweren Schloss an, das die Kette zusammenhielt, mit der sie angebunden war. Aber natürlich merkten sie rasch, dass das Geräusch weithin zu hören war.
„Am besten feilst du immer nur für ein paar Minuten", riet Rafi ihr. „Außerdem müssen wir für die Feile ein gutes Versteck finden, falls jemand kommt. Willst du es versuchen?"
Dieses ständige, tatenlose Warten konnte Zara kaum ertragen. „Natürlich", erwiderte sie. „Was hat es für einen Sinn, weiter nach dem Tunnel zu suchen, wenn ich nicht mitkommen kann?"
„Wir werden die Männer hindurchschleusen, um anzugreifen", erwiderte er. Aber es würde natürlich einfacher sein, Zara zu befreien, wenn sie sich bewegen konnte.
Sie untersuchten die Steine in ihrer Nähe im Licht der Kerze, bis sie einen schmalen Ritz in der Nähe der Stelle fanden, wo die Kette in die Mauer eingelassen
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