Wie Champagner in den Adern
worden war. Er war ziemlich lang und breit genug für die Feile. Er war auch nicht zu tief, stellte sie fest, indem sie vorsichtig darin herumstocherte.
Schließlich überlegten sie, dass Zara am besten immer ein paar Minuten daran arbeiten sollte, wenn die alte Frau sie verlassen hatte. Denn dann war die Wahrscheinlichkeit, dass jemand zu ihr käme, am geringsten.
Später am Nachmittag, als Rafi ihr noch etwas zu essen brachte, stellte er ihr einen frischen Eimer Wasser hin. Diesmal wusch Zara sich auch ihr Haar.
Während sie es auskämmte, sagte Rafi zu ihr: „Ich muss versuchen, meinen Brüdern bald eine Nachricht zukommen zu lassen. In dem Fall wärst du abends allein hier und solltest wenigstens Licht haben. Vielleicht könntest du die alte Frau um eine Kerze bitten. Möglicherweise hat sie Mitleid mit dir."
„Oh ja, das könnte sein."
„Kerze heißt ,shama'a'."
„,Shama'a"', wiederholte Zara mehrmals, bis er zufrieden nickte.
„Siehst du, wie schnell du die Sprache meines Volkes lernst", meinte er und lächelte.
Kurz bevor die alte Frau kommen musste, verabschiedete Rafi sich. Er wollte das schwindende Tageslicht für ein paar Erkundungen nutzen.
Sobald Zara allein war, wurde sie unruhig. Jetzt, da sie etwas tun konnte, wünschte sie sich verzweifelt, dass sie mit dem Feilen beginnen konnte.
Sie war so darauf erpicht, dass sie beinahe vergessen hätte, nach der Kerze zu fragen. Erst als die alte Frau mit dem entleerten Eimer wiederkam, bat sie: ,,,Shama'a'?"
„O!", rief die alte Frau und zeigte sich sichtlich überrascht, dass Zara das Wort kannte. Dann folgte eine Erklärung in mitleidigem Tonfall, begleitet von einem bedauernden Händeklatschen.
Wahrscheinlich wollte sie ihr sagen, dass Er das nicht erlauben würde.
Zara ließ die alte Frau nicht ausreden. ,„Shama'a'?", wiederholte sie bittend.
Mit Zeichensprache und Gemurmel gab ihr die alte Frau zu verstehen, dass sie auch etwas zum Anzünden brauche. Was sollte sie mit einer Kerze anfangen, die sie nicht anmachen konnte?
Zara verlor den Mut. Warum hatten sie nicht daran gedacht? Wie dumm von ihnen! Sie hätte Rafis Feuerzeug behalten und der alten Frau zeigen sollen. Woher hätte sie gewusst, ob Zara das schon bei sich gehabt hatte oder nicht? Aber so ...
Sie hob resigniert ihre Hände.
Die alte Frau legte eine Hand an ihre Wange und murmelte etwas, das dem Tonfall nach zu urteilen wohl „armes Ding" bedeutete.
Nachdem sie gegangen war, zählte Zara bis hundert. Dann griff sie nach der wunderbaren Feile, bewegte sie ein paar Mal kräftig und rieb etwas Staub in den Schnitt, den sie damit in das Metall ritzte.
Sie durfte es nur nicht länger als ein paar Minuten machen.
So ungeduldig sie auch war, Zara wusste genau, dass sie unbedingt vorsichtig sein musste. Es wäre dumm, wenn sie jetzt alles riskierte, indem sie zu eifrig vorging. Sie feilte erneut, lauschte, rieb Staub in den Ritz und feilte wieder.
Während sie Staub über das Metall streute, hörte sie plötzlich Schritte im Flur. Sofort richtete sie sich auf, griff nach der Feile und schob sie hastig in den schmalen Schlitz, den sie gefunden hatten.
Sie war ein wenig zu hastig. Vielleicht hätten sie ihr Versteck aber auch besser überprüfen sollen.
Denn anstatt in dem vorgesehenen Schlitz zu verschwinden, fiel ihr die Feile aus den Fingern. Sie hörte deutlich, wie sie auf die Steine unter dem Boden fiel, ein paar Zentimeter außerhalb ihrer Reichweite.
10. KAPITEL
Es war die alte Frau. Triumphierend hielt sie eine Kerze und ein Feuerzeug hoch. Zara nagte an ihrer Unterlippe. Sie musste sich dankbar zeigen, auch wenn es ihr schwer fiel.
„Danke, ,shokran jazilan'!", flüsterte sie immer wieder. Die alte Frau hockte sich neben sie und zeigte ihr, wie das Feuerzeug funktionierte. Es war nur noch ein Rest Benzin darin. Hatte Jalal zugestimmt, oder hatte die alte Frau ihr diese Sachen heimlich besorgt?
„,Shokran jazilan'!", wiederholte Zara und senkte den Kopf, um ihren Kummer zu verbergen.
„,Shokran, shokran'!"
Die alte Frau fasste ihr unters Kinn und zwang sie, aufzuschauen. Tränen, die sie nicht länger zurückhalten konnte, rannen Zara über die Wangen. Mitfühlend wischte die alte Frau ihr die Tränen weg und redete beschwichtigend auf sie ein.
Zara bemühte sich zu lächeln und ließ sich von der alten Frau trösten. Doch kaum war sie gegangen, zündete Zara aufgeregt die Kerze an. Ungeduldig wischte sie sich die Tränen weg und versuchte, in den
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