Wie der Earl das Sandwich entdeckte (German Edition)
veröffentlicht wurden.
Immer wieder als Erfinder ins Spiel gebracht wird der Spitzenkoch Johann Rottenhöfer, der allerdings nicht für die Küche Luitpolds zuständig war, sondern für die seines älteren Bruders Maximilian, den Vater Ludwigs II. Außerdem starb Rottenhöfer schon 1872; zu seiner Zeit gab es diese Torte noch nicht. Überzeugender ist da schon Behauptung, der Münchner Bäckermeister Anton Seidl (1844–1898) sei der Schöpfer der Prinzregententorte; er hatte 1869 den väterlichen Betrieb übernommen. Bei einem Besuch in Wien soll er die Dobostorte kennen gelernt haben, die Spezialität eines Budapester Konditors, die aus hauchdünnen Schichten aus Baumkuchenmasse, Schokoladencreme und einer Karamellglasur besteht. Da Dobos diese Torte erst 1885 erfunden hat, ist natürlich die Frage, wann die Reise nach Wien stattgefunden haben soll. Die inzwischen verstorbene Enkelin Seidls erzählte jedenfalls voller Überzeugung, ihr Großvater habe die Prinzregententorte zum ersten Mal 1888 gebacken. »Bei einem seiner Besuche auf der Kegelbahn (gemeint: der Seidls) wurde der Prinzregent gefragt, ob man die Torte nach ihm benennen dürfe – ganz sicher, nachdem man ihm eine Kostprobe angeboten hatte. Auf die persönliche Genehmigung folgte dann ein Antrag an das Hofmeisteramt wegen des Namensschutzes.«
Nun war Seidl nicht irgendein Bäcker, sondern durfte sich seit 1876 Hofbäckermeister nennen, und es gilt als verbürgt, dass Mitglieder der Königsfamilie inklusive des Prinzregenten tatsächlich mitunter auf der Seidlschen Kegelbahn anzutreffen waren. Man gab sich volksnah und volkstümlich im Hause Wittelsbach. Aber Namensschutz für ein Gebäck – darauf wäre Ende des 19. Jahrhunderts noch niemand ernsthaft gekommen, galt es doch als ausgemachte Sache, dass es eine Ehre für Monarchen und andere bekannte Persönlichkeiten ist, wenn ihnen kulinarisch gehuldigt wird. In der Jubiläumsschrift von 1924 zum 125-jährigen Bestehen der Großbäckerei Seidl wird die Prinzregententorte mit keinem Wort erwähnt. Doch es spricht auch noch etwas anderes gegen Anton Seidl als Erfinder, nämlich die Tatsache, dass ein Hof bäcker nur für Brötchen und Brot zuständig war und im Gegensatz zu einem Hof konditor grundsätzlich keine Torten backen durfte. Ein Verstoß gegen diese Festlegung wurde 1853 schon Seidls Vater vorgeworfen und in der Bayerischen Landbötin publik gemacht: »Eine Beschwerde des Vereins der Zuckerbäcker gegen den Bäcker Anton Seidl wegen Gewerbsbeeinträchtigung (Backen von Anislaibchen)« wurde dahin entschieden, dass »Seidl … die Führung und der Verkauf von Anislaibln fernerhin als ihm nicht zustehend untersagt« wird. (Quelle: Artikel der Bayerischen Landbötin in der Ausgabe vom 31. Juli 1853) Wenn der Vater nicht mal Anisbrötchen backen durfte, wird man dem Sohn garantiert nicht die Herstellung von Torten erlaubt haben.
Bleibt noch der Münchner Konditormeister Heinrich Georg Erbshäuser (1844–1905), der sein Geschäft in der Nähe der Residenz hatte und 1890 zum Hoflieferanten ernannt wurde. Tatsächlich findet sich in seinem Nachlass ein altes Notizbuch mit handschriftlichen Bestellungen für die Prinzregententorte, die bis ins Jahr 1888 zurückreichen. Als Konditor brachte Erbshäuser auch die richtigen Voraussetzungen als Tortenbäcker mit. Vermutlich hat er die mehrschichtige Torte Luitpold gewidmet, als dieser zum Prinzregent ernannt wurde. Die Kreation Erbshäusers war damals nur etwa fünf Zentimeter hoch und bestand aus acht Schichten, wobei die inneren mit einer Schokoladenbuttercreme gefüllt waren, während die oberste Lage unter der Schokoladenglasur mit Aprikosenmarmelade bestrichen wurde. Soviel weiß man, auch wenn der Konditor sein Rezept nicht in dieses Notizbuch geschrieben hat.
Ein bisschen mehr über die Konditorei Erbshäuser und ihre Torte erfahren wir durch Hermann Heimpel (1901–1988), der seine Kindheit in München verlebte: »Still war der Laden, als mache er Sonntagsdienst wie eine Apotheke … Ruhig diktierten die Damen ihre in der Bahn der Gewohnheit sich haltenden Wünsche, und Frau Erbshäuser, die Zange in der Rechten, den weißen Pappendeckel in der Linken … respondierte: ›Zehn Dreipfennigstückerl, sechs Teeblätter, die Petit-Fours haben wir schon, ein Fünftel Pralinés gemischt, das wär dann alles?‹ Seidenpapier raschelt, Silber wird gewechselt… Jetzt ist die Mama dran … ›Ich nehme auch die Prinzregentorte mit, ich habe sie
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