Wie der Earl das Sandwich entdeckte (German Edition)
des üblichen Bieres unerwartet etwas anderes vorgesetzt bekam: »… in diesen Katakomben ward ehedem das beste, echteste Naß von Pschorr, Bock und Salvator verzapft … Ich erhielt dort einen ›Stoff‹ … er war sehr licht … Es war Weizensaft, die Berliner Blonde in erhöhter Potenz, mit Zuckerstoff und Citronenscheibe noch gesteigert. Ich glaubte, die Isar mit der Spree verwechselt zu haben …«. Das kann nichts anderes gewesen sein als Radler mit Weißbier, das in Süddeutschland heute »Russn« genannt wird. Auch zu diesem Getränk gibt es eine Geschichte: Weißbier mit Zitronenlimonade soll zur Zeit der kommunistischen Räterepublik in München 1918/19, also unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, das bevorzugte Getränk der Revolutionäre gewesen sein, die ihr Hauptquartier im Gebäude einer Brauerei eingerichtet hatten. Das gepanschte Bier sollte angeblich verhindern, dass die Wachen müde wurden. Im Volksmund hießen die Kommunisten damals Russen und diese Bezeichnung bürgerte sich dann für das Getränk ein, die »Russen-Maß«. Vielleicht ist diese Erklärung aber auch einfach erfunden. Es gab nämlich schon seit 1900 eine kleine Kolonie russischer Emigranten in München, allesamt keine Kommunisten, die sich aus Weißbier mit Limo möglicherweise einen Ersatz für Kwass, ein bierähnliches Getränk mit wenig Alkohol, zusammenbrauten.
In Norddeutschland kennt man Radler unter der Bezeichnung »Alsterwasser« nach dem Nebenfluss der Elbe und dem Hamburger Alstersee, der dank seines morastigen Untergrundes angeblich seit jeher leicht bräunlich trübe aussieht. Ein altes Hamburger Wörterbuch enthält den Hinweis, dass dieser Ausdruck seit 1926 üblich sei – gemeint war damit früher allerdings keine Mischung aus Bier und Limonade, sondern schlicht »ein Glas helles Bier«. Ein Helles Alsterwasser zu nennen, war vermutlich ein Witz, wenn das Bier nicht nur hell, sondern auch noch dünn war. Bier mit Limo zu mischen hat im Norden also keine lange Tradition.
Franz Xaver Kugler
Kuglers Alm um 1900
Risotto milanese
Risotto ist ein Klassiker der norditalienischen Küche, über dessen korrekte Zubereitung ganze Bände verfasst werden. Die Mailänder sind stolz auf ihren goldgelben Risotto alla milanese, der seine Farbe dem Safran verdankt. Die hat er mit der spanischen Paella gemeinsam, aber die Italiener kochen ihren Reis völlig anders. Das gewünschte Ergebnis heißt »all’ onda«, also cremig-suppig und dabei auf keinen Fall breiig. Risotto ist heute eine Spezialität der Lombardei und zählt zu den typischen Gerichten Mailands, wo man seine Geschichte am liebsten bis ins Mittelalter zurückführen würde. Es gibt eine hübsche Legende zur angeblichen Erfindung des Risotto milanese durch den Glasmaler Valerio di Fiandra, der die Fenster des Mailänder Doms mit einer Spezialfarbe bemalte, in die er Safran mischte, damit sie besonders golden leuchtete. Zur Hochzeit seiner Tochter im September 1574 soll er ein bisschen von dieser Mischung in den Reis gegeben haben, und dieser »goldene Reis« hat die Gäste ungemein beeindruckt. Soweit dieses Märchen zum Risotto milanese.
Der Reis kam im frühen Mittelalter mit den Arabern zunächst nach Sizilien, ehe er im 14. Jahrhundert rund um Venedig und Neapel angebaut wurde. Zu dieser Zeit galt Reis in Europa als Krankenkost; er wurde in Mandelmilch zu Brei gekocht und mit Zimt und Zucker gewürzt. Hundert Jahre später begann der intensive Reisanbau in der Poebene. Das Kochbuch des lombardischen Küchenchefs Bartolomeo Scappi enthält 1570 ein Rezept für »lombardischen Reis« mit Käse, Eiern, Zucker, Zimt und cervellata . Von Safran ist bei ihm noch nicht die Rede, obwohl englische und französische Köche schon im 14. Jahrhundert Milchreis mit Safran färbten. Aber auch in Italien gab es damals schon gelben Safranreis. Die jüdischen Familien in Venedig und Sizilien aßen zum Sabbat Riso col safran , vermutlich die Abwandlung eines orientalischen Pilaw-Rezeptes – und ein Vorfahre von Risotto milanese. Ohnehin wird der Einfluss der jüdischen auf die italienische Küche meiner Meinung nach stark unterschätzt.
Das erste Rezept, das schon stark an Risotto alla milanese erinnert, erscheint 1809 im Mailänder Kochbuch Il cuoco moderno und trägt den Titel »Riso giallo in padello«, auf deutsch »Gelber Reis in der Pfanne«. Dafür wurde der Reis mit Butter und Zwiebeln gedünstet, bis er goldbraun ist; dann kamen Rinderknochenmark und cervellata (eine
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